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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Jimmy von der Indianersiedlung am Eagle Creek, der noch mal zurückkehrt, um nachzusehen, ob bei uns alles in Ordnung ist ...
    Aber es war nicht Howard Walpole und auch nicht Charlie Jimmy. Das Flugzeug war mit drei Leuchten bestückt, allerdings blinkte die unter der linken Tragfläche nicht im gleichen Takt wie die anderen beiden – defektes Kabel oder lose Birne –, und als es näher kam, sich auf sie zu senkte, sah er auch die beiden Schwimmer, deren unlackiertes Metall in dem blauen Blinklicht stumpf aufblitzte. Er kannte diese Schwimmer, die garantiert am nächsten Morgen gegen Landekufen ausgewechselt würden, falls das Wetter so blieb, und er brauchte den ebenfalls unlackierten Rumpf oder die verblassende schwarze Registriernummer nicht erst zu betrachten, um zu wissen, wessen Flugzeug das war. Es flog jetzt auf sie zu, sehr tief im schwindenden Licht, mit dem Wind im Rücken. Er hatte keine Zeit zum Nachdenken, keine Zeit dafür, das Paddel einzutauchen und den Bug vom Kurs und in die Deckung der Bäume zu bringen, denn die Cessna war praktisch schon mitten vor seiner Nase, vor Pamelas Nase, und als sie sich unter den knapp vor ihnen in die Höhe ziehenden Schwimmern duckten, spürte er einen ruckenden Aufprall, eine Hippieobstschale im Kanu zersprang, und sofort quoll Wasser – Yukon-Wasser, kalt wie der Tod – durch das unsichtbare Loch im Rumpf.
    Jetzt reagierte Sess. Er tauchte das Paddel mit voller Wucht ein und ließ es im Wasser, bis das Kanu hundertachtzig Grad herumgeschwungen war wie eine Kompaßnadel, und dann rasten sie stromabwärts, unterstützt von der Strömung und vom Wind. Voraus lag ein dunkler Fleck aus Bäumen, die fünfhundert Meter vor ihnen vom Ufer in den Fluß hineinragten, und er rief Pamela zu, sich dorthin in Sicherheit zu bringen, während er bereits in dem festgezurrten Gewirr aus Dosen und Kartons und Hippietöpferware nach dem Gewehr wühlte und dabei dachte: Jetzt geht’s los, das hier ist Krieg , und dann dachte er noch: Versuch’s noch mal, du Drecksau, nur noch einmal!
    Das blaue Blinklicht verschwand flußabwärts im Nichts, dann wurde es wieder sichtbar, als das Flugzeug in die Kurve ging und erneut die Richtung wechselte. »Weiterpaddeln!« schrie Sess, schob eine Patrone in die Kammer und legte das Gewehr quer über die Duchten, damit er paddeln und das Heck am Ausbrechen hindern konnte. Pamela drehte ihm das Profil zu, ein schwacher bleicher Fleck vor dem düsteren Band des Ufers. »Der wollte ...« stammelte sie. »Er hat doch nicht etwa auf uns ...?« Sie hörten, wie die Maschine den Motor aufheulen ließ, und sahen die Lichter jetzt schärfer, als sich die Entfernung verringerte. »Verflucht noch mal, aber sicher hat er das!« brüllte Sess und paddelte wie eine Dampfmaschine, sie waren jetzt keine zweihundert Meter mehr entfernt von der Stelle, wo sich im Schutz der Bäume Ufereis bildete.
    Bosky flog zu schnell auf sie zu. Er hatte damit gerechnet, daß sie weiter Kurs stromaufwärts hielten und gegen die Strömung kämpften, daher schwoll der Motorenlärm rapide an, und die Schwimmer zischten an ihnen vorbei, bevor er sich hinausbeugen und nochmals feuern konnte. Sess aber war bereit: er ließ das Kanu längsseits in die Strömung schwingen, während vorn Pamela das Steuern übernahm, und er gab drei Schüsse ab, drei kupferummantelte Dankesbriefchen, die er in den brodelnden Kessel des Himmels feuerte und die wahrscheinlich nichts als die Luft durchlöcherten. Er konnte es nicht beurteilen. Er konnte es nicht wissen. Zu sehr durchpulste ihn das Adrenalin, als daß er Wut oder Empörung verspürt hätte. Er legte das Gewehr wieder hin und griff nach dem Paddel, einen Augenblick später schob sich der Bug knirschend in das Ufereis, und sie erreichten die Deckung der Bäume.
    Alles war still. Harter, prasselnder Schnee wurde vom Wind herangepeitscht und fiel vom Himmel, als hätte er seine Erlösung erwartet. Jetzt hörte Sess den Fluß, er hörte die Eisschollen auf dem Wasser knirschen und schaben, ein Geräusch, als würden zwei feuchte Hände gerieben, und er hörte Pamela. Sie saß mit hochgezogenen Schultern da, ein Schatten in den noch tieferen Schatten, und sie weinte so leise, daß er zunächst dachte, es sei das Gewisper der Schneekristalle, die zischend zwischen den letzten Grashalmen landeten. Am Boden des Kanus stand das Wasser jetzt fünf Zentimeter hoch, mindestens fünf, und ihre Füße – sie trugen knöchelhohe Wanderstiefel aus

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