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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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übrige genauso. Joe quatschte dauernd was vom Fallenstellen, von dem Kitzel, den es einem verschaffte, seine eigene Fallenstrecke zu haben und einfach draußen nachzusehen, was einem die Natur gratis serviert hatte, aber er quatschte eben immer nur. Für Joe war das Fallenstellen vorbei, das war die Realität. Er verdiente sich sein Geld jetzt damit, daß er mit seinem Flugzeug die Eskimos in den ausgetrockneten Dörfern am Kobuk River mit Alk versorgte, wo er Fleishmann’s Gin und Three-Feathers-Whiskey und puren Äthylalkohol kistenweise verhökerte, zum zehnfachen Preis von dem, was er in Fairbanks bezahlt hatte. Ronnie war mitgeflogen, zweimal, einfach weil er mal sehen wollte, wie es da war, und es war das Ende der Welt, genau das. Fensterlose Katen, Hunde an Ketten, schlammige Straßen ohne Belag und überall Müll, der vom Wind verblasen wurde, keine Straße, die hinführte, und keine, die wegführte – im Vergleich dazu war Boynton glatt downtown Manhattan. Er hatte sich selbst ein bißchen was dazuverdient und das eine oder andere Päckchen Gras aus dem Vorrat vertickt, den er aus Drop City mitgenommen hatte – er war übrigens so weit gegangen, Norm und Marco und Verbie und sonst noch einigen Leuten das Zeug zu schenken, und dennoch behandelte ihn dort weiterhin jeder so, als hätte er Lepra, und das war nicht richtig, selbst wenn er die Sache – mal bei Licht besehen – tatsächlich vermurkst hatte, und zwar total vermurkst, was er ja auch bereute, ehrlich. Aber diese Eskimos – witzige kleine Schrumpffreaks mit Haaren wie lebendiges Schmieröl, die einem nicht mal in die Augen sehen würden, wenn man ihnen die Klamotten angezündet hätte –, die Eskimos wollten sein Dope, und wie.
    »Wölfe«, hörte er Joe gerade über das schwache, vom Klopapier gedämpfte Dröhnen aus der Stereoanlage sagen, »mit denen läßt sich Kohle machen. Wenn man ein Flugzeug hat.«
    Ronnie las in einem der neunzehn Taschenbücher, die es im Blockhaus gab – allesamt Schundwestern von Louis L’Amour und fad wie Tofu –, und legte den Schmöker jetzt mit dem Gesicht nach unten auf seiner Brust ab, nahm einen Schluck aus dem silbernen Flachmann, den er vor zwei Wochen irgendeinem Typ im Three Pup beim Billard abgenommen hatte – eine Runde, bei der ihm einfach jeder Stoß gelungen war –, und sah zum Tisch hinüber.
    Dale Murray trug seinen Schaffellmantel und eine Pelzkappe, die er im Nougat einer Indianerin direkt vom Kopf weggekauft hatte, zum Preis von drei Brandy Alexanders – was anderes wollte sie nicht trinken, immer nur Brandy Alexanders, obwohl die Sahne dafür aus einer Dose Kondensmilch kam und der Brandy reiner Gärungsalkohol war, in den sie einen gebrauchten Teebeutel getaucht hatten. Sky Dog und ihm hing der verschneite Norden schon zum Hals heraus, und sie versuchten seit mindestens einer Woche, Joe dazu zu überreden, sie nach Fairbanks zu fliegen, denn, wie Dale ständig vor sich hin brabbelte, bis es langsam an den Wänden klebenblieb: In Kalifornien, da geht’s voll ab, Alter. Scheißen wir doch auf diesen Mist hier. Ich meine echt, scheißen wir drauf. Und Joe antwortete darauf immer nur: Morgen, Mann. Wenn das Wetter besser wird. Jetzt sah Dale kurz von seinem Blatt auf und fragte: »Wie meinst du das, mit Wölfen?«
    Sky Dog, dessen Augen zu blutunterlaufenen Schlitzen verengt waren, zupfte am Kragen des früher mal weißen Wollpullovers, den ihm eine der Bräute von Drop City in glücklicheren Tagen gestrickt hatte. »Du redest von diesen großen gemütlichen Hundeviechern, die da draußen in den Hügeln heulen, von morgens bis nachmittags bis nachts?«
    »Ich rede von der Kopfprämie, darum geht’s. Wölfe sind prima zu sehen auf dem hellen Schnee, gibt nirgendwo ein Versteck für sie. Das ist wie Fliegen totschlagen.«
    »Mann, ich dachte, du wärst so ’ne Art Trapper? Was ist denn aus dem Ding mit dem Fallenstellen geworden?«
    Joe zuckte die Achseln. Im Blockhaus waren vielleicht um die fünf Grad, aber er hatte nichts weiter an als ein Thermo-T-Shirt und ließ seine Tätowierungen sehen, die sich um seine Unterarme schlangen wie Kriegsnarben – oder vielleicht sollte er sie besser »Schauplatznarben« nennen. (Die da hab ich von den Philippinen, die hier aus Saigon, und diese hier, die hab ich an einem Ort abgekriegt, da war’s so schlimm, daß ihr nicht mal wissen wollt, wie der heißt.) »Habt ihr denn auch nur eine Vorstellung davon, wieviel Arbeit es macht, eine Fallenstrecke

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