Drop City
Wildleder, ihr allerbestes Schuhwerk für den Ausflug in die Stadt – waren naß. Sie hatten keine Schlafsäcke, keine Plane für den Boden, keinZelt dabei, denn wer brauchte schon ein Zelt im Williwaw Motor Inn? »Alles in Ordnung, Pamela«, sagte er, obwohl ihm die Worte in der Kehle steckenblieben, »alles ist in Ordnung, alles wird wieder gut.«
Am wichtigsten wäre ein Feuer gewesen, aber er hatte Angst, Feuer zu machen, weil Bosky es vielleicht sehen und sie noch einmal aufs Korn nehmen würde, deshalb konzentrierte er sich darauf, das Kanu an Land zu ziehen, die nassen Einkäufe, die nassen Kleider, die Vorräte, das Werkzeug und all die übrigen Sachen auszuladen, und dann lehnte er das Boot als Windschutz gegen einen Baum. Pamela ging ihm zur Hand, und sie brauchten nicht zu sprechen, brauchten kein Wort zu sagen, sie arbeiteten einträchtig miteinander, luden alles aus, schnitten Fichtenzweige, die sie unter das Kanu legten, und sammelten Treibholz für ein Feuer, falls sie ein Feuer anzünden würden, darüber müßten sie später nachdenken. In der Zwischenzeit wurde der fallende Schnee noch härter, er prallte wie Kügelchen von ihren Kapuzen und Ärmeln ab und fiel mit dem leisen Rieselgeräusch von Reis, der aus einem Sack rinnt, zu Boden, und bald füllte sich das dunkle Nichts des Flußufers mit dieser bleich leuchtenden Substanz. »Er kommt doch nicht noch mal zurück, oder, Sess?« fragte Pamela.
Er sah sie an, ihre gebeugte Gestalt, die Holz stapelte und die Worte in rasch hervorgestoßenen Dampfwölkchen aus dem Mund entließ. »Nein«, sagte er, »nicht bei diesem Wetter, und ich hoffe nur, daß das Arschloch irgendwo abstürzt und bis zur Unkenntlichkeit verbrennt. Ist das zu fassen? Kannst du glauben, daß er tatsächlich auf uns geschossen hat? Ich hab’s ja gesagt, Pamela. Ich hab’s dir von Anfang an gesagt, aber du wolltest ja nicht hören.«
Sie warteten eine halbe Stunde, dann hielten sie ein Streichholz an ein Stück eingerollte Birkenrinde, und das Holz fing Feuer. Sie trockneten ihre Schuhe, ihre Socken, ihre Füße. Pamela zog eine feuchte Schachtel mit Crackern aus einer zerfetzten Einkaufstüte, sie teilten sich den Inhalt mit ein paar Scheiben Cheddarkäse darauf und ließen ihre inneren Motoren ein wenig zur Ruhe kommen. Das Wetter sah ganz nach dem ersten Schneesturm des Jahres aus – es hatte alles, was dazugehörte: beißenden Wind, Schnee in festen Kügelchen, Temperaturen um minus fünf Grad, und Sess bezweifelte nicht, daß es bald noch kälter werden und das Zeug als Pulverschnee runterkommen würde –, und ihnen blieb nur ein sehr schmales Zeitfenster, wenn sie das Kanu und seine kostbare Ladung noch vor dem nächsten Frühjahr zum Thirtymile bringen wollten. Nach einer Weile stand er auf und durchwühlte das Gepäck, bis er ein Paar seiner neuen Biwak-Thermosocken gefunden hatte (garantiert warme Füße bei minus vierzig Grad), von denen er einen in das Einschußloch im Boden des Bootes drehte, solange er keinen besseren Stöpsel dafür fand. Dann luden sie alles wieder ein und wagten sich auf den Fluß, in die volle Wucht des Sturms, ihre Unterarme und Schultern stemmten sich gegen den Widerstand, die Hände umklammerten die Paddel, als wären sie Eisskulpturen.
Es war wohl schon nach Mitternacht, als sie die Mündung des Woodchopper Creek passierten, um die sie einen weiten Bogen schlugen, nur für den unwahrscheinlichen Fall, daß Joe Bosky ihnen dort auflauerte, und keiner von beiden wagte sich vorzustellen, was weiter flußaufwärts geschehen sein mochte, bei ihrem Blockhaus, da Joe Bosky ja wußte, daß sie nicht zu Hause waren und sowohl die Mittel als auch die Motive besaß, ihnen irreparablen Schaden zuzufügen. Der Schnee stob ihnen ins Gesicht. Über der Ladung bildete sich eine dünne Eiskruste, wo die Tropfen von Pamelas Paddel vom Wind zurückgeworfen wurden und hinunterrannen, und darüber legte sich eine Schicht aus Schnee. Die Nacht war eine dichte, private Angelegenheit, die sich durch die einzelnen Phasen ihrer ureigenen, unergründlichen Rhythmen bewegte, und sie hatten kein Recht, sich in ihr aufzuhalten. Aber – Sess Harder war das egal. Er war froh, im Hier und Jetzt zu sein, sich der Herausforderung zu stellen, er war froh zu leben, froh über jeden wütend eingetunkten Schlag, den das hölzerne Paddel dem eisgekühlten Fluß versetzte. Und als sie in den Thirtymile einbogen und die Hunde ihnen ein sehnsüchtiges Willkommen
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