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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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klar jetzt?«
    Nein, überhaupt nicht. Er hatte es nicht kapiert. Ebensogut hätten das Ding Waschzuberfluß oder Dinosaurierstrom oder Ananasbach heißen können, oder vielleicht sollten sie ihn nach der Mutter von Jimi Hendrix umbenennen – genau, dafür würde er eine Unterschriftenliste starten, sobald er wieder zurück in der Zivilisation war. So ging es immer weiter, eine Abfolge zunehmend alberner Namen zuckte ihm durch den Kopf, während die Stille, die Unermeßlichkeit des Flusses und der schattengefleckten Hügel und der Mond, der Mond , ihn zutiefst beeindruckten – es war Halloween, war das nicht irre? –, und er hatte sich noch nie im Leben so eins mit der Natur gefühlt. An der Mündung des Thirtymile hielt er sich wieder nach rechts, ohne mehr darüber nachzudenken, als wenn er von der MacDougal in die Bleecker Street eingebogen wäre, und als er am Blockhaus von Sess Harder vorbeikam, das sich auf der Böschung hell vor den dunklen Bäumen abhob und von dem der Geruch nach Holzrauch herüberwehte wie eine Verheißung, marschierte er einfach weiter.
    Wie durch ein Wunder schlugen Sess’ Hunde nicht an. Wenn er sich darauf konzentrierte, die einzelnen Schatten auseinanderzuhalten, erkannte er die Reihe der Hundehütten, die hinten rings um die Knöchel der Bäume gruppiert waren, aber dort rührte sich überhaupt nichts, nicht das leiseste Scheppern der Stahlketten oder ein Rascheln von gezaustem Fell, kein einziges Geräusch außer dem Brausen des Windes in seinen Ohren. Die Hunde lagen alle schlafend da, die Nase in den Schwanz gerollt, und atmeten ruhig in der Stille der Nacht. Sie lebten hier, gehörten hierher, genau wie er, genau wie Pan. Er stapfte weiter, und vielleicht hatte er etwas taube Zehen – seine Stiefel waren nicht die besten –, aber er hatte so etwas durchaus schon erlebt, damals in New York. Möglicherweise war’s hier ein bißchen kälter, aber nicht viel. Er erinnerte sich an minus zwanzig, minus fünfundzwanzig Grad, als er noch ein Kind war, auf der Innenseite der Fenster hatte das Eis Muster aus einander überlagernden Kristallsternen gebildet, und sein Vater trat wütend gegen die Fahrertür des Studebaker, weil die Karre einfach nicht ansprang, sosehr er sie auch beschwatzte und ihr den metallisch-süßlichen Äther in den Vergaser spritzte. Sein Vater. Das Bild hielt sich nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann verschwand es wieder, ein verblassender Kader im Projektor seines Gehirns. Er marschierte. Dachte an nichts. Der Mond – der Erntemond, der Halloween-Mond – wies ihm den Weg.
    Als erstes kündigte sich Drop City durch den Geruch nach Rauch an, der die Nachtluft durchzog, dann mit ein paar Lichtern, aber so blaß und kümmerlich, daß er gar nicht sicher war, sie zu sehen, bis er die Böschung erklommen hatte und auf der Anhöhe stand, auf der die fünf Blockhütten einen Halbkreis beschrieben. Vier hatten gedeckte Dächer und Licht, segelten wie Schiffe durch die Nacht, doch die fünfte war nur ein Geviert aus gekerbten Stämmen, höchstens bis auf Hüfthöhe hatten sie es geschafft, und er mußte an Mendocino Bill und Alfredo denken, an ihre aufgemotzten Pläne: Platz da, alle mal hersehen, hier kommt die strahlende Stadt auf dem Hügel, die Metropolis von Alaska, Chichén Itzá und der Taj Mahal in einem. Hoch mit dem Baumstamm, angepackt die Säge. Immerhin, er mußte zugeben, daß sie es weiter gebracht hatten, als er geglaubt hätte, denn das waren Ofenrohre, die da aus den Dächern ragten, und es war echter Rauch, der da vom Wind davongetragen wurde, und wo es Rauch gab, da war auch Feuer, und wo Feuer brannte, da war es warm. Er stand vor den Häusern – Ronnie, Pan, war zurückgekehrt, um an diesem einmaligen Abend des Jahres hallo zu sagen –, doch er zögerte noch.
    Seit Ende August war er nicht mehr auf Drop City gewesen, und obwohl er hie und da ein paar Brüder und Schwestern im Three Pup, im Nougat und in Setzlers Laden getroffen hatte, wußte er nicht, wie die Leute die ganze Sache inzwischen sahen, ob er willkommen wäre oder nicht, vergeben und vergessen und Schwamm drüber. Vor allem bei Norm. Auf Norm war er nicht unbedingt scharf und auf Alfredo genausowenig. So stand er im Mondschein da, bereits halb entschlossen, sich zurück an den Woodchopper Creek zu schleichen, und scheiß doch auf Drop City, wenn sie ihn hier nicht wollten, dann wollte er sie auch nicht, als er plötzlich Gelächter vernahm, irgendwer erhob die Stimme über

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