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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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zu unterhalten? Das ist verrückt. Total irre. Dafür muß man so eine Art Höhlenmensch sein wie unser Cecil B. Die-Harder, um so was aus freien Stücken zu tun, dieser letztklassige Verlierer, der den Kopf immer vierzig Meter tief im eigenen Arsch stecken hat. Ich hab irgendwann einfach gesagt, scheiß drauf, und meine Fallen letzten Winter sich selbst überlassen, die stecken jetzt wahrscheinlich voller Knochen, und von mir aus können sie zu Scheiße verrosten. Nein, ich hab mir was Besseres überlegt. Bin in die Luft gegangen. Ich meine, wozu investiert man schon in sein eigenes Flugzeug, wenn man’s nicht auch benutzt? Dreiundsechzig Wölfe waren’s unterm Strich, in jeder Farbschattierung von Reinschwarz bis Reinweiß, so viele hab ich letzten Winter da draußen in der Landschaft erwischt, jeder einzelne sauber abgeknallt – bei fünfunddreißig Dollar Prämie, nur für den Abschuß. Plus das, was die Felle bringen. Wozu nach Gold schürfen, wenn’s da draußen auf vier Pfoten herumwuselt?«
    Sky Dog fuhr mit dem Kopf hoch, als hätte er eine Ohrfeige bekommen. »Das ist nicht richtig, Alter, das ist einfach nicht richtig, im Ernst. Wenn du alle Wölfe erschießt, dann gibt’s keine Raubtiere mehr, und wenn du keine Raubtiere hast, ist bald das ganze Ökosystem im Arsch. Ich meine, die Elche und Karibus und was sonst noch alles – ja, die Karnickel, die fressen dann den ganzen Wald kahl, bis nichts mehr davon da ist. Ich steige übrigens aus.« Er klappte seine Karten zusammen und schob sie in die Mitte des Tisches.
    »Ha! Das sagst du jetzt vielleicht – und das sagst du, wenn du wieder in deinem Hippiereservat in Malibu hockst, wo deine einzige Sorge vielleicht ist, ob die Braut da unbedingt so viel anhaben muß, aber wenn du hier oben leben mußt, dann redest du sehr bald anders.« Joe lehnte sich in seinem Stuhl zurück, der in den Verschraubungen ächzte. Er griff nach dem Bier, stellte es dann aber wieder hin, beugte sich vor und goß sich ein Glas aus der Wodkaflasche ein, die er auf dem Fußboden stehen hatte, wo sie gut gekühlt blieb, denn mochten es auch fünf Grad in Sitzhöhe sein, unten am Boden waren es um die minus zwanzig. »Wölfe sind nichts weiter als Dreck. Die reißen einem Elch das Arschloch raus und schlabbern ihm die Därme weg, während das Vieh noch vor ihnen steht, die machen alles tot, was ihnen vor die Schnauze kommt, ob sie Hunger haben oder nicht – nur aus reinem Vergnügen. Nein«, sagte er und legte eine Pause ein, um den Wodka zu kippen, »vor den Augen des Gouverneurs und seines ganzen Kabinetts würde ich den letzten trächtigen Wolf erschießen. Und der Gouverneur würde mir vermutlich einen Orden dafür verleihen.«
    »Wie heißt der Gouverneur hier eigentlich?« fragte Dale Murray. Sky Dog kratzte sich am Hals, dann griff er über den Tisch nach der Flasche und goß sich einen Schluck ein. Eine Minute, eine von einer Million – einer Milliarde – Minuten verrann.
    »Scheiße, was weiß ich«, sagte Joe.
    Pan meldete sich vom Bett am Ofen: »Hey, Leute, ich störe ja nur ungern, aber wißt ihr eigentlich, was für ein Tag heute ist? Es ist Halloween.«
    Alle drei starrten ihn ungerührt an. Der Ofen seufzte und zog Luft. Es war im Blockhaus so trocken wie im Zentrum der Atacama-Wüste. Schließlich beugte sich Joe Bosky vor, um auf den Boden zu spucken. »Und, was soll ich da unternehmen?« fragte er. »Soll ich ’ne Perücke aufsetzen und mich als Hippie verkleiden? Oder vielleicht als Frau – würde das funktionieren?«
    Aber Ronnie antwortete nicht – er war inzwischen ganz woanders, fühlte sich jählings verpflanzt ins letzte Halloween, nach Peterskill an die Ufer des braven Hudson, an einen Ort, wo es Geschäfte und Kneipen und Discos und Kifferläden gab und wo man jede Sorte Dope bekam, ob es nun Tag oder Nacht war, ebenso Klamotten, Schallplatten, Steaks, chinesisch, italienisch, Donuts, Kentucky Fried Chicken, an die Stelle, an der er seinen ersten Totalschaden hatte, und in die Straße, in der seine Eltern wohnten. Und seine Freunde. Seine Kumpel. Die Leute, mit denen er aufgewachsen war. Er verspürte auf einmal ein derartiges Heimweh, fühlte sich so verloren und ausgehöhlt, daß er sich aufs Brustbein klopfen mußte, um nicht das Elch-Chili auszukotzen, das sie schon seit drei Tagen aus dem Kochtopf löffelten. Eine säuerliche Kugel stieg ihm in der Kehle auf, der brennende Geschmack des Exils, und trieb ihm die Tränen in die Augen. Er und

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