Drop City
erklang von drinnen Stars Stimme: »Wer ist das? Ronnie? Ist das etwa Ronnie ?« Und dann hörte er ein Quietschen von Merry, vielleicht auch von Lydia, dem ein ausgedehnter Lachanfall von allen drei Frauen folgte, als zählte schon die Tatsache seiner Anwesenheit zu den lustigsten Sachen auf der Welt. Marco nickte ihm zu, und dann waren die drei in Trainingshosen und dicken Socken an der Tür, verströmten die Düfte von Bettwäsche, warmen Decken und Nachthemd – sehr fleischliche Düfte – und gurrten ihre Begrüßungen. »Jetzt komm schon rein!« sagte Star. »Meine Güte, steh doch nicht einfach da und ...«
Drinnen war es eng wie in einer Gefängniszelle. Man konnte mit den Fingerspitzen einer Hand die Wand aus runden Baumstämmen berühren und mit der anderen die von gegenüber erreichen. Es war dunkel, heiß und trocken. Die beiden eingebauten Etagenbetten beherrschten den Raum, außerdem mußte man sich dauernd bücken, um den sechshundert Klamotten auszuweichen, die überall von Haken und quer durchs Zimmer gespannten Leinen hingen: nasse Socken und Unterwäsche, Parkas, Jeans, Stiefel. Räucherstäbchen schmurgelten. Der Ofen glühte. Beim vorderen Fenster gab es einen kleinen Tisch, der mit Spielkarten, Büchern und schmutzigen Tellern vollgestellt war, dort ließ er sich in den Stuhl fallen, den Star ihm herangezogen hatte, und zerrte sich die Handschuhe herunter, während die Bräute dicht um ihn herumstanden, drei Paar Brüste auf Augenhöhe, und ihre erleuchteten Gesichter grinsten auf ihn herunter wie außerirdische Forscher, die nach Zeichen von intelligentem Leben suchten. »Ich fasse das einfach nicht«, sagte Merry immer wieder, und Jiminy war auch da, wie Pan jetzt sah: von einem der oberen Betten warf er ihm Blicke wie Dolche zu.
Pan zuckte die Achseln. »Hey, ist schließlich Halloween«, erklärte er sein Kommen. »Ich dachte, ich schau kurz bei euch vorbei. Mal sehen, was sich so tut hier.«
Dem konnte niemand widersprechen, und bald saßen die drei Frauen bei ihm um den Tisch, boten ihm Zuckerkekse mit Orangenaroma an, die sie für Halloween gebacken hatten, rauchten einen Joint an und ließen einen Krug mit warmem Eigenbräu herumgehen, während Marco und Jiminy auf den oberen Betten miteinander tuschelten. Lydia trug einen Pelzmantel, der bis zum Boden reichte – »Ein Kreuzfuchs, hat mir ein Bewunderer geschenkt; gefällt er dir?« –, und sie sah gut aus, verdammt gut, und sie hatte offenbar ein bißchen abgenommen, lag es daran? »Siehst ja echt stark aus«, sagte er und legte ihr gleich mal den Arm um die Schultern.
»Aber hallo, hört euch mal Pan an«, kicherte Merry. »Hast wohl zu lange ohne auskommen müssen, was? Logisch, wenn du wie ein alter Bock lebst, da draußen bei Joe Bosky. Und was ist mit mir? Seh ich nicht auch echt stark aus?«
Sie und Star knieten voreinander und schminkten sich gegenseitig das Gesicht zu etwas, was als Halloween-Verkleidung durchgehen mußte: schwarze Streifen auf Nasenrücken und entlang der Wangenknochen, alles andere in einem fauligen Fahlgrün. Es war wohl nicht recht die Zeit für erotische Kostüme. Und auch nicht der Ort. »O doch«, hörte sich Ronnie sagen, »prima. Total riesig.«
»Und was ist mit mir , Pan?« fragte Star. Sie zog einen Schmollmund und lächelte gekünstelt, und er konnte ihren Blick einfach nicht verstehen, absolut nicht. Er fragte sich, ob es da noch etwas gab zwischen ihnen, oder ob sie gerade die letzten Leinen zu ihm kappte, tschüs und adieu, kein Wort des Bedauerns, und was hieß es schon, wenn sie gemeinsam bei Mr.Boscovich in der Klasse gesessen, miteinander mehr Abenteuer als Lewis und Clark erlebt, unterm Sternenzelt gevögelt und jeden letzten Cent geteilt hatten? Na und?
Lydia sagte: »Ich bin ja überrascht, daß du nie in die Stadt gekommen bist, um mir beim Tanzen zuzusehen – was ist los, Baby, kein Interesse mehr? Oder war ich etwa die vier Stunden Autofahrt nicht wert?«
Daraufhin brachen die drei vor Lachen fast zusammen, pikten sich, juchzten und gackerten, klatschten vor Freude. Haha. Sehr komisch. Und Ronnie – Pan – ließ sich da hineinziehen, versuchte sich in Ausreden, und diese Ausreden waren Tatsachen, sie waren die Wahrheit, denn sein Wagen war ja wirklich nur noch Schrott, und Joe flog eben nur, wenn er Lust hatte, und er hatte in letzter Zeit nie wirklich Lust gehabt. Was hätte er denn machen sollen – zu Fuß gehen?
»Aha, und ich sehe also echt stark aus, ja? Jetzt, wo
Weitere Kostenlose Bücher