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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ich fünf Zentimeter von dir entfernt sitze.« Lydia blitzte ihn aus ihren tiefblauen Augen an. Sie riß einen Witz, nahm ihn auf den Arm, ihr Tonfall war neckisch und übermütig, aber dann verhärtete sich ihre Miene plötzlich, ohne Vorwarnung. »Und da darf ich also annehmen, Mr. Pan , Mister Wilder Liebhaber mit dem Riesenschwanz, du möchtest gern, daß ich kurz mal mit dir ins Bettchen geh und eine Nummer schiebe, als hätte ich’s total nötig oder so? Seh ich das richtig?«
    Ronnie befand sich in der Sackgasse. Er war stoned, er war müde, er wollte bumsen, aber selbst Sokrates hätte sich mit diesem Problem schwergetan – »Ja« war die ehrliche Antwort, aber »Ja« schlug zugleich die Tür zu, und »Nein« wäre nur eine weitere Form von Selbstmitleid, und es war ihm egal, wie übel er dran war, selbstmitleidig wollte er hier nicht ankommen, schon gar nicht wegen Lydia. Sie war ja nicht mal sein Typ.
    In den Moment der Spannung mischte sich Marcos Stimme: »Du hast beide Gewehre und auch noch die Pistole mitgenommen. Die gehören dir nicht, Alter, und wir wollen sie zurück.«
    »Ach, komm schon, Marco«, sagte Star mit gepreßter Stimme, »hör auf damit jetzt.«
    »Hast du deinen Elch schon erwischt? Du und wer noch – Bosky, Dale und Bruce? Wohnen die immer noch mit dir zusammen?«
    »Wer? Meinst du Sky Dog?«
    »Ja, Bruce . So heißt der nämlich, genau wie du Ronnie heißt und ich Marco und Jiminy – hey, wie heißt du überhaupt?«
    Jiminy flüsterte es, krächzte es hervor: »Paul Atkins.«
    »Genau, also Paul. Und, hast du deinen Elch erwischt?«
    Wieder so eine Fangfrage. Mit »Ja« war er geliefert, aber bei »Nein« war er ein Nichtskönner und mußte die Knarren auf jeden Fall zurückgeben. »Ja«, hörte er sich sagen. »War ein Bulle. Voll ausgewachsen. Joe meint, der muß an die fünfhundert Kilo gewogen haben. Wir haben ihn aus der Luft gesehen – er war völlig ungeschützt, lief da als dicker dunkler Fleck über den Schnee. Also, wir haben Fleisch, jede Menge. Also, wenn ihr was davon haben wollt ...«
    Doch Marco sagte: »Wir wollen die Schußwaffen.«
    »Okay«, sagte er, »ich hab’s ja gehört.« Er blinzelte nach oben ins Halbdunkel und begegnete Marcos hartem Blick. Die Pistole würde er bestimmt nicht hergeben – reiner Glücksfall, daß er sie gerade nicht am Körper trug – und das schwere Jagdgewehr genausowenig. Die Winchester vielleicht. Ja, eventuell. »Morgen. Ich schwör’s.«
    Dann erzählte Star davon, wie es mit dem Garten gelaufen war – sie hatten zu spät angefangen, aber immerhin eine Menge gelernt –, nur das Dope war ganz gut gekommen, zwar keine harzigen Fruchtstände, aber ein Haufen Blätter, die sie getrocknet hatten, und das Gras war nicht von schlechten Eltern. Na, jedenfalls wurde man high davon. Dann entstand eine kleine Pause, bis Star fröhlich trällerte: »Also, kommt schon, Jiminy, Merry, Marco, gehen wir mal rüber zu Norms Haus und hauen die um Süßigkeiten an, damit die zwei hier eine Zeitlang für sich sein können, was meint ihr? Na?«
    Kaum war die äußere Tür zugefallen, da stand Lydia auf und legte ein paar Scheite nach, obwohl die Blockhütte im Vergleich zu Boskys Bude so gut isoliert war wie ein Volkswagen und es sowieso schon an die dreißig Grad hatte. Sie ließ das Ofentürchen offen, damit sie ins Feuer sehen konnten, und er fand das eine nette Idee, aber er schwitzte bereits seine Sachen durch, und seine Kehle war so trocken, daß er für ein Glas Eistee oder eine Kräuterlimo hätte sterben können – oder einen Limo-Milk-Shake, das wär doch was, einfach an die Theke gehen und einen Shake bestellen, das Ganze an einem schwülen Tag irgendwo auf dem Land, nördlich von New York, die Sonne brannte einem die Haut vom Nacken, Zikaden zirpten in den Bäumen, und an dem gewachsten Becher in der Hand perlten kalte Tröpfchen herunter. Keine üble Phantasie. Es war schon witzig. Da steckte er in Alaska, in einem Blockhaus am Ende der Welt, die Temperaturen draußen bewegten sich um minus dreißig herum, und er konnte an nichts anderes denken als an einen kalten Limo-Milk-Shake in einem hohen, kühlen Glas oder einen Wodka mit Bitterlemon, einen Gin Tonic, irgendwas Kaltes, je kälter, desto besser.
    Lydia nahm die Laterne vom Haken und blies die Flamme aus, worauf ein dünner Faden von grünlichem Rauch aus der Öffnung zog und ein Hauch von Petroleum in der Luft hing. Die Kerzen ließ sie brennen. Er sah ihr zu, wie sie durch

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