Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
schmutziger Wäsche und Seifenlauge, die Joe Bosky zum Gerben seiner Wolfspelze benutzte, und auch dieser Geruch lag in der Luft, der Gestank nach den Häuten und Pelzen von Tieren. Ronnie war ein Gespenst am Ofen, dann schwang das Türchen auf, und Marco sah kurz die lohende Glut der Kohlen und die eingerahmte Silhouette einer schmalen Hand, die Brennholz nachlegte.
    »Nein«, sagte Marco, »Kaffee will ich nicht. Ich will überhaupt nichts, bis auf die Gewehre, die du gestohlen hast.«
    »Hey, Ronnie, Mann – wer ist denn das? Ist jemand gekommen? Joe? Joe, bist du das?«
    »Scheiße, Sky!« rief Ronnie heftig, richtig laut. »Penn lieber weiter, ja? Verflucht noch mal«, schimpfte er und knallte die Kaffeekanne irgendwo auf den Ofen, »nie hat man hier mal seine Ruhe, keine beschissene Minute lang!«
    Marco blieb bei der Tür stehen. Er rührte sich nicht. Wenn diese Sache unangenehm wurde – ihm war es recht. Er war bereit. Er war schon seit langem bereit, seit jenem Tag, als er in Kalifornien in diesem Graben gelegen hatte, seit ihm sein Hab und Gut von Bruce zerstört worden war, seit Ronnie sich wieder mal an Star vergriffen hatte. »Die Gewehre!« wiederholte Marco.
    Allmählich sah er Ronnie besser, seine runden Schultern, den breiten Schädel, die schmuddlige Thermounterwäsche, in die er eingehüllt war wie eine Mumie in ihre Wickeltücher, die Unordnung in der Tiefe des Hauses, und irgendwann schälten sich zwei Betten an der Rückwand aus dem Chaos, von denen eins eine menschliche Gestalt enthielt: Sky Dog, womit das Rätsel gelöst war. »Was heißt hier gestohlen ?« fing Ronnie an. »Ich hab gar nichts gestohlen. Norm hat mir diese Knarren gegeben, weil ich als einziger nicht so lahmarschig war und sie überhaupt benutzt habe, und das weißt du so gut wie ich, Alter «, und diese abschließende Anrede schleuderte er heraus, als wäre es ein Fluch. »Also scheiß auf dein gestohlen !« Die Kanne schepperte auf dem Ofen. Und dann, als hätten sie nur eine unbedeutende philologische Debatte geführt, eine reine Frage der Semantik ohne Substanz, die nun bereinigt war – aufgeworfen, geklärt und erledigt –, fügte er hinzu: »Bist du sicher, daß du keinen Kaffee willst?«
    In diesem Moment entdeckte Marco die beiden Gewehre, ein kurzer Blick durchs Zimmer, und da waren sie, baumelten von zwei Nägeln an der Wand über dem unbelegten Bett, allerdings sah er nicht, daß Ronnie in die Tasche seines Parkas griff, der von der Wäscheleine über dem Ofen hing. Es reicht , dachte Marco verärgert, ja, rasend vor Wut, durchquerte den Raum mit drei großen Schritten, nahm das obere Gewehr herunter, die schwere Springfield, und wollte gerade nach der Winchester darunter greifen, als Sky Dog sich im Bett gegenüber aufsetzte und nuschelte: »Hey, Mann, was machst du da überhaupt?« Gleichzeitig zog Ronnie die langläufige Pistole von Norms Onkel aus der Innentasche des Parkas und sagte: »Leg das weg, Alter. Leg das Gewehr weg und verpiß dich, bevor du verletzt wirst, und ich sag dir eins: Reiz mich nicht, Marco, reiz mich bloß nicht.«
    Doch ihn kümmerte all das nicht mehr, ihn kümmerten keine Drohungen und auch nicht Ronnie und Bruce und die minimale und weiter schrumpfende Bedeutung, die sie in seinem Leben besaßen, deshalb hängte er sich die Springfield über die Schulter – ganz ruhig, als würde er sich in der vertrauten Umgebung seines Schlafzimmers ankleiden –, und dann nahm er auch die Winchester vom Haken und hängte sie sich um. Er betrachtete Ronnie lange, der in seiner Unterwäsche am Ofen stand, in der Hand die Pistole, die er den ganzen Sommer hindurch am Oberschenkel herumgetragen hatte und die er jetzt ausgestreckt hielt, zitternd und mit krummen Fingern, an denen die Ringe das Licht zerstäubten. »Reiz mich nicht!« wiederholte Ronnie und ließ dabei die andere Hand zum Schritt seiner Unterhose wandern, wo er sich heftig zu kratzen begann, eine unbewußte Bewegung, die einem völlig anderen Imperativ gehorchte.
    Und plötzlich war das Ganze total witzig, ein Riesenspaß, komischer als zehn Tortenschlachten, und ob wohl irgendwer eine begnadetere Show hätte hinlegen können? Ronnie hatte seine Knarre in der Hand, und gleichzeitig kratzte er sich, Ronnie im Unterzeug, mit Schlaf in den Augen und plattgedrückten Haaren, wie er Reiz mich nicht schnarrte und sich dabei am Sack kratzte. Marco ging durch das Zimmer, zuckte mit den Schultern, um das Gewicht der Gewehre auszugleichen,

Weitere Kostenlose Bücher