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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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wissen, was man in einer Situation wie dieser tun sollte, nur redete Joe nicht mehr. Er hatte nur einen einzigen Satz gesagt, nachdem Pan vor über einer Stunde seinen Sicherheitsgurt mit dem Jagdmesser gekappt und ihn aus dem zerknautschten Cockpit geschleift hatte, und das war: »Mach Feuer.« Das Problem hatte sich allerdings von selbst gelöst, denn als sie in die Bäume gekracht waren, hatte es die linke Tragfläche gegen den Rumpf geklappt, wobei der Treibstofftank hinübergegangen war, so daß sie Glück hatten, noch herauszukommen, bevor die Kiste explodiert war. Was sie recht bald tat. Kaum hatte er Joe auf den Schnee hinausgetragen, gab es einen Blitz und einen Krach, und schon war ihr Transportmittel ein Freudenfeuer. Inzwischen war es nur noch ein übler Geruch in der Luft, die Kälte schlich allmählich wieder heran, und Joe war jenseits von guten Ratschlägen.
    Ronnie fühlte sein Herz in der Brust den Gang wechseln. Sie saßen hier echt in der Tinte, gar kein Zweifel, aber er konnte nicht allzu klar denken, weil er sich mehrmals den Kopf am Instrumentenbrett angeschlagen hatte – das Ding hatte ihn regelrecht angesprungen, als wäre es plötzlich zu Leben erwacht und hätte nichts im Sinn, als ihm das Hirn aus dem Kopf zu beuteln –, und diese Kruste aus gefrorener Flüssigkeit, die jedesmal aufsprang, wenn er eine Grimasse schnitt wegen des rotglühenden Schmerzes in seiner linken Schulter, an der der Arm so komisch abgewinkelt war, als wollte er nicht mehr zu ihm gehören, das war Blut. Joe war bewußtlos. Nicht tot – er atmete noch, das konnte Ronnie sagen, obwohl er kein Arzt war (»Kommen Sie, jetzt sagen wir ›Ah‹, und dann will ich mal Ihre Augenlider zurückklappen, mein Bester«), und selbst wenn er einer gewesen wäre, hätte ihm das wenig geholfen hier draußen, so ohne Medikamente, Instrumente und Werkzeug, außer seinem Messer und der nutzlosen bleischweren Pistole, die er am Oberschenkel trug. Schließlich hatte er etliche Dutzend Fichtenzweige geschnitten und zum Haufen geschichtet, damit Joe sich seine Lebenswärme nicht vom eiskalten Erdboden abzapfen lassen mußte, außerdem war er tatsächlich dabei, ein Feuer in Gang zu bringen. Er hatte ein paar Zweige gesammelt und über dem Knie zerbrochen, um eine wacklige Pyramide aus Feuerholz aufzuschichten, und dann schleppte er noch ein paar größere Äste aus den Schneewächten herbei, und er hatte auch Streichhölzer, sogar ein paar Papierfetzen waren ganz unten in seinem Rucksack – dem einzigen Überlebensartikel, den er noch aus dem Flugzeug hatte retten können, ehe es in Flammen aufging.
    Der Mond stand als schrecklich gewichtiges Objekt über ihm, als er sich jetzt niederkauerte und die erstarrten Hände nur für einen Augenblick entblößte, um ein Streichholz auf der unkooperativen Kante des schlaffen Pappbriefchens anzureißen – unerträglich, dieser Mond, einfach erdrückend –, aber obwohl seine Hände sich anfühlten wie in Fängerhandschuhen beim Baseball, würde er es überleben, nicht nur das hier, sondern auch alles andere, was die Kräfte des Bösen ihm in den Weg legen mochten, denn das Streichholz fing Feuer, der Wind hielt den Atem an, und der Haufen vertrockneter Tannennadeln fing an zu glühen und zu knistern und wurde immer gieriger und gieriger. Er zog die Handschuhe über. Zerrte an den Ästen ringsherum und schichtete das Feuer auf, bis es lichterloh brannte. »Joe«, sagte er, »Joe, das Feuer brennt jetzt«, aber Joe antwortete nicht, Joe war eiskalt, Joe war ausgezählt.
    Pan kauerte sich neben dem Feuer nieder und rieb die Hände aneinander. Niemand würde ihnen hier zu Hilfe kommen. Wer immer in diesem Schlitten gewesen war, konnte zwar nicht weit weg sein, aber warum sollten die sich um sie kümmern? Es waren Sess Harder und seine Alte gewesen, keine Frage, außer Joe war vollkommen ausgerastet vorhin, und Sess hätte vermutlich doppelten Eintritt und Zuschlag für einen Logenplatz gezahlt, um Bosky sterben zu sehen. Also war es an ihm, an Pan. Sein Plan bestand darin, bis zum Morgen zu warten, bis der vage Schimmer von Dämmerlicht die Hügel im Süden erhellte – das würde ihm die Richtung zeigen, und dann könnte er sich ostwärts zum Fluß und von dort aus nördlich nach Drop City durchschlagen. Das konnte er schaffen. Er war zäh. Er war jung. Er kannte die Hügel, er kannte den Fluß. Er brauchte nur noch das Feuer ordentlich zu bauen, ein Freudenfeuer, damit Joe, wenn er das Bewußtsein

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