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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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aus ihrem aufsteigenden Atem Bilder formte.
    Jetzt sah er auch die Hundehütten zwischen den Bäumen, einfache Kisten, aus gekerbten Stämmen zusammengezimmert und von symmetrischen Hauben aus schneebedecktem Stroh bedacht. Hinter der Hütte erhob sich ein Hügel im sanften widerscheinenden Licht, vor ihr lag ein gefrorener Bach. Alles war still. Wer nicht wußte, daß es hier eine Hütte gab, der wäre knapp daran vorbeigegangen, ohne etwas wahrzunehmen, außer vielleicht das Glitzern des Sonnenlichts auf der Scheibe des einzigen Fensters – und auch das nur in der richtigen Saison und zur richtigen Tageszeit.
    Sie hatten sich darin abgewechselt, auf den Kufen zu stehen und neben dem Schlitten herzurennen, und er war den letzten Kilometer gerannt, deshalb schwitzte er in seinem Parka, was schlecht war, ja geradezu gefährlich, denn der Schweiß könnte einen auf fatale Weise abkühlen, wenn man sich nicht möglichst schnell an einem schönen Kaminfeuer wärmte. »Was glaubst, wie kalt es ist?« hatte er Sess vor einer halben Stunde beim Einsammeln des letzten der fünf steifgefrorenen Marder gefragt – die Fallen hatten sie jedesmal neu bestückt –, und Sess’ Antwort war ein Grinsen gewesen, für das er sich mit dem Handschuh das Eis aus dem Schnurrbart gewischt hatte. »Schätze, so minus vierzig?« hatte er gesagt.
    Über dem Türrahmen der Hütte war ein Thermometer angenagelt, und nachdem er Sess geholfen hatte, die Hunde draußen anzuleinen und jedem einen brettharten Trockenlachs hinzuwerfen, sah er im bleichen Mondlicht nach. Die Quecksilbersäule stand exakt im Zwischenraum der feinen Striche für minus vierzig und minus zweiundvierzig. »Gut geraten«, sagte er, während sie sich in die dunkle Leere der Hütte hineinschoben, deren Gerüche – ranzige Köder, Lampenöl, Fichtenzweige, Fisch, die Darmsekrete von Luchsen, Mardern, Füchsen – vom Frost gedämpft wurden.
    »Mist«, sagte Sess, »dürfte gerade noch ein Grad kälter geworden sein – aber laß uns mal ein Feuerchen anwerfen, damit es hier ein bißchen gemütlich wird, was meinst du?«
    »Klingt gut. Was kann ich dabei tun?«
    Sie standen in der Dunkelheit, in der Kälte, und dann hatte Sess die Petroleumlampe entzündet, und das verworrene Durcheinander des Raums nahm Konturen an. »Gar nichts«, sagte Sess. »Setz dich nur hin und mach’s dir bequem.« Marco setzte sich, vor Kälte schaudernd, und sah zu, wie das Kleinholz im Kanonenofen vom Streichholz Feuer fing, wie der eiskalte Kessel draufgestellt wurde und wie Sess sich bückte, um vom Boden aus gestampfter Erde einen rußigen Topf aufzuheben und ebenfalls auf den Ofen zu wuchten, in einer einzigen fließenden Bewegung, die im scharfen Scheppern von Metall auf Metall kulminierte. »Nur nicht zu kompliziert«, sagte Sess, »das ist mein Motto.«
    Sie rückten beide dicht an den Ofen heran, in dem das Feuer jetzt prasselte und fauchend die Luft ansaugte, und langsam belebte sich der Raum mit leisem Knacken und Knistern. Gerüche wurden wach. Der Kessel ruckte und schepperte, suchte ein Gleichgewicht. »Was ist denn im Topf drin?« wollte Marco wissen, und er war nie im Leben hungriger gewesen, er brauchte dringend Zucker, Fett, Speck, klumpenweise Butter, die Grundschmiere des Lebens, und kein Wunder eigentlich, daß die Eskimos mit Seehundstran auskamen – hier oben mußte man wirklich seinen Vergaser völlig neu einstellen.
    »Elcheintopf.« Sess rumorte auf dem Wandbrett hinter dem Ofen herum, suchte nach Näpfen, Löffeln, Bechern. »Hab ich beim letztenmal aufgesetzt. Brauchst einfach nur ein anständiges Stück von der Elchflanke runterzusäbeln, die draußen in der Kammer hängt, die brätst du in Bärenschmalz mit etwas Mehl und ein paar Zwiebeln an, dazu Salz, Pfeffer, bißchen Tabasco und was gerade für Gemüse da ist – in diesem Fall waren es getrocknete Erbsen und Linsen –, dann füllst du es bis zum Rand mit Wasser auf, läßt es aufkochen und schmeißt noch den Reis rein. Und voilà: Elcheintopf à la Harder. Das Beste daran ist, daß du den Topf nur auf den Boden zu stellen brauchst, wenn du die Hütte verläßt, und innerhalb einer Stunde ist das Zeug tiefgefroren wie ein Eisblock.« Er rieb sich die Hände und hielt sie über den Ofen. »Hat mir Roy beigebracht.«
    »Und jetzt bringst du’s mir bei.«
    »Ganz recht. Jetzt bring ich’s dir bei.«
    Falls er Zweifel gehegt hatte – am Campen, am Biwakieren bei minus vierzig Grad –, so vertrieb sie der

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