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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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dort, und der Schnee warf sein Licht zurück, bis es heller wurde, als es den ganzen Tag über gewesen war. Auf dem Schnee konnte man alles erkennen: Lichtungen, Sümpfe, sogar Wildwechsel. Joe legte sich in eine Kurve und ging noch tiefer, bis sie keine hundert Meter mehr über dem Boden waren. Er sah aufmerksam auf die Schatten und Konturen hinunter, als würde er etwas suchen.
    »Hey, Joe«, rief Ronnie. »Hey, Mann, was ist denn los? Fliegen wir nicht nach Hause?«
    Joe drehte die massige Kugel seines Kopfes, um ihn kurz zu mustern, dann sah er wieder aus dem Fenster. »Gib mir mal das Gewehr, ja?« sagte er.
    Unwillkürlich, obwohl er fror und sich elend fühlte und alles mögliche dringend brauchte , mußte Pan grinsen. »Willst du ein paar Wölfe umnieten?«
    Der Motor trug sie durch die Nacht, dicht über die vorbeizischenden Bäume, die huschenden Hügel und die jähen Hänge. »Leg den Sicherheitshebel zurück und check mal für mich, ob das Ding geladen ist, ja?« rief Joe.
    Kein Problem damit , dachte Ronnie. Er dachte: Sicher, wieso nicht? Da unten gab es Wölfe, ein Kopfgeld, oder eigentlich Pfotengeld, in grünen Scheinchen, von der Natur frei Haus geliefert, wie Joe immer sagte. Drei Tage zuvor hatten sie welche gejagt, auf dem Rückweg von Fairbanks, mit der Schnapsladung an Bord – eigentlich hatten sie direkt nach Ambler rauffliegen wollen, aber dann entdeckte Joe unten im Schnee Wolfsfährten und änderte seinen Plan. Sie führten zu einem Beutetier, einem Elch, der wie ein großer Rorschach-Fleck aus blutroten Schleifen und spiralförmigen Hufabdrücken im Schnee lag. Die Wölfe waren über das Tier hergefallen, sechs oder sieben waren es, specksteingrau bis schwarz, gierig fressend, dann flogen die Köpfe herum, um diese dröhnende Bedrohung aus dem Himmel einzuschätzen, und plötzlich rannten sie davon, so daß Joe nur knapp über sie hinwegrasieren konnte und dann in eine enge Kurve ging, um sie aufs Korn zu nehmen. Sobald die Maschine wieder gerade lag und auf die hetzenden dunklen Schemen dort unten zuhielt, rief Joe: »Nimm du mal den Steuerknüppel!«, und Pan hielt das Flugzeug gerade, während Joe sich aus dem Fenster lehnte und zielte.
    Der Schnee stob auf, wo er danebentraf, weiße Blüten sprossen in dem weißen Schattenbeet, und Pan sah die Szenerie sehr klar vor sich, obwohl er sich mit aller Macht darauf konzentrierte, das Flugzeug ruhig zu halten. Tack! Tack! Tack! Die Wölfe wogten wie Wasser dahin. Ein langer Moment, und dann fielen sie zurück, während Joe wieder das Steuer übernahm, eine Wende hinlegte und Pan von neuem den Knüppel überließ. Als er sich diesmal hinauslehnte, durch das Zielfernrohr visierte und abdrückte, kippte eine der huschenden Gestalten um wie von einem eisernen Stiefel zertreten, und es war kein Huschen mehr, sondern ein sich am Boden windender Wolf. Sie jagten dem restlichen Rudel nach und erschossen ein gutes Stück weiter einen zweiten, dann schlugen sie einen Bogen und suchten einen Platz zum Landen. Der Schnee war knietief. Dem ersten Wolf hatte die Kugel das Rückgrat zerfetzt. Er lag am Boden und starrte ihnen verständnislos entgegen, eine Kreatur, die in Höhlen geboren und gesäugt worden war, die sich immer nur von Elchen, Kaninchen, Wühlmäusen und Karibus ernährt hatte und die sie nun hilflos anglotzte. »Mach ruhig«, hatte Joe gesagt, »aber laß das Fell intakt. Ziel auf das Auge.«
    Und jetzt versuchte Pan zu erkennen, was Joe da am Boden entdeckt hatte, dabei holte er das Gewehr hinter dem Sitz hervor, direkt aus dem Schaukasten von »Big Ray’s« Sportgeschäft in Fairbanks, mit Eskimodollars neu gekauft – eine .375 Holland& Holland, Zielfernrohr mit Vierfachvergrößerung –, prüfte kurz das Magazin und reichte die Waffe an Joe weiter. Unter ihnen verlief eine Spur, das sah er jetzt auch, ein richtig ausgetretener Pfad, wie ihn ein größeres Rudel Wölfe hinterlassen haben mochte, er schlängelte sich zwischen den Bäumen dahin, verschwand manchmal mehrere Sekunden lang und zeigte sich dann wieder, offenbar verlief er am Fluß entlang in südlicher Richtung. Der Mond war noch nie heller gewesen, soweit sich Pan erinnern konnte, dabei hatte er ihn schon öfter am Himmel hängen sehen, als er zählen konnte, in den finsteren Gassen hinter den Musikschuppen, durch die Scheibe seines Wagens, groß und blendend und optisch verstärkt durch die volle Bandbreite der Pharmakopoeia, die sein Augenlicht erleuchtete. Heute aber,

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