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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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heute strahlte er richtiggehend zurück, alles glänzte silbern, Joes Parka, sein Gesicht, seine Hand auf dem Steuerknüppel, aber wo waren die Wölfe?
    Und dann, plötzlich, dort unter den Bäumen, da waren sie, ein Rudel, das in Formation dahinjagte, und Joe schrie: »Nimm das Steuer, los, nimm es!« Die Luft im Cockpit wechselte von saukalt zu frostklirrend, als Joe jetzt das Fenster aufstieß und der eisige Wind hereinpeitschte. Pan hielt den Steuerknüppel, die Maschine beschrieb eine Linkskurve, Joe zielte, aber Moment – das waren gar keine Wölfe, oder? Nein, nein, genau ... es waren Hunde, vor einen Schlitten gespannt, und zwei Gestalten schälten sich aus dem fließenden Gewaber des unbeschriebenen weißen Blattes dort unten, zwei Menschen, zwei Männer, und was dachte sich Joe eigentlich, war er auf einmal blind geworden? »Joe!« rief Ronnie. »Joe, das sind keine Wölfe!«
    Egal. Denn Ronnie hielt die Maschine weiterhin in einer steilen Kurve, und Joe feuerte, einmal, zweimal, dreimal, die Kurve wurde immer steiler, Joe fluchte – »Scheiße! Scheiße, fahrt doch zur Hölle!« –, und keiner von ihnen bemerkte, wie nahe der Senkrechten die Tragflächen inzwischen schon standen, bis Joe das Gewehr hinwarf, um die Cessna aus dem drohenden Trudeln herauszureißen und knapp über den Baumwipfeln vor ihnen wieder hochzuziehen. Der Motor heulte auf, und es gab einen Schlag, ein ekelhaft lautes, nasses und hartes Klatschen, wie von Haut auf Haut, und plötzlich hatte die Spitze der rechten Tragfläche einen Knick, worauf das ganze Flugzeug zu beben begann, als würde es gleich auseinanderfallen.
    Joe wehrte sich. Joe wußte, was er tat. Joe hatte nicht vor, eine Maschine, für die er fünfundzwanzigtausend Dollar bezahlt hatte, abstürzen zu lassen, nur weil eine ihrer Flügelspitzen wie eine Bierdose zerquetscht worden war, o nein, nicht Joe. Sie flogen noch vier oder fünf Kilometer weiter, kämpften sich auf den Fluß zu – aber was war mit der Flughöhe los, warum zog er den Steuerknüppel nicht nach hinten und brachte sie von den Baumwipfeln weg? –, bevor Ronnie kapierte, daß es abwärts ging. Vor ihnen war irgend etwas, nicht der Fluß, nur eine Lücke zwischen den Bäumen, offene Tundra, kleine Büschel von totem Zeug mit Schneekrönchen drauf, wie lauter kleine Fäuste, die sich auf dem Boden ballten, und dann setzten sie auf, die Landekufen wurden unter ihnen weggefetzt, und der gesamte Rumpf kippte gnadenlos nach links und in die finster aufragenden, undurchdringlichen rindenbewachsenen Knochen der Bäume hinein.
    Niemand mochte Joe Bosky allzusehr – man respektierte ihn, fürchtete ihn vielleicht sogar, aber er war nicht die Sorte Typ, die irgend jemand für seine freundliche Art oder seine Nettigkeit und guten Manieren lobte. Ronnie jedoch stand auf ihn. Ronnie hegte so etwas wie eine Beziehung des jüngeren zum älteren Bruder zu ihm, und wenn man Joe eins lassen mußte, dann wohl bestimmt, daß er wußte, wovon er redete und was er tat, und wenn man ihm zuhörte und zusah und einigermaßen aufpaßte, konnte man praktisch alles lernen, was es über Alaska zu lernen gab. Über Schußwaffen. Übers Fliegen. Pan hatte bereits ein halbes Dutzend Flugstunden genossen und durfte manchmal das Steuer übernehmen, wenn sie einfach nur von Punkt A nach B dahinzogen, und dafür war er schon dankbar genug. Pan wollte vielleicht eines Tages wieder hierher zurückkommen – irgendwann im Sommer, sogar schon nächsten Sommer – und sich als Buschpilot versuchen, Jäger und Angler herumfliegen, dem Schlechtwetter entkommen, immer demWind nach, kommen und gehen, wann er wollte. Außerdem mochte es sein, daß Bosky zwar früher mal ein Teil der Kriegsmaschinerie gewesen war, sogar bei der Marineinfanterie, aber er hatte eine ziemlich lässige Einstellung zu den Dingen – also, er war kein fahnenschwingender Patriot oder so was wie ein Faschist, und er quatschte auch nie blödes Zeug über Splitterbomben oder Schlitzaugen oder so ähnlich. Was er vom Leben erwartete? Pan hatte ihn das eines Abends mal gefragt, als sie mit Sky und Dale um den Tisch saßen und köstliches dunkles Schneehuhnfleisch von den Knochen nagten. Joe erwartete sich Spaß vom Leben. Wollte ordentlich saufen, bumsen, ein bißchen Klamauk und sich von niemandem was sagen lassen. »Dann bist du also ein Hedonist, ja?« hatte Dale eingeworfen. »Da kannst du deinen Arsch drauf wetten«, war Joes Antwort gewesen.
    Und Joe würde auch

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