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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Zuhause.«
    Sie stand in der Mitte des Raums und sagte kein Wort. Ihr Haar funkelte, sie hielt sich kerzengerade. Er wollte etwas sagen, wollte sie fragen, ob es ihr gefiel, aber er fand einfach seine Stimme nicht. Nach kurzer Zeit wanderte sie an den Bücherregalen entlang und ließ den Finger spielerisch über die Sachen dort gleiten: seine wenigen speckigen Bücher ( Das A–Z des Gerbens, Überleben in den Wäldern, Die arktische Wildnis, Bier selber brauen ), eine Flasche Medizin gegen Sodbrennen neben einem Strang getrockneter Peperoni, eine rostige Kanne Mehrzwecköl, eine fünfzehn Zentimeter dicke Kerze, selbstgemacht aus Bienenwachsplatten, die er sich im vergangenen Sommer von einem Versandhandel hatte kommen lassen, dazu Werkzeug. Sie sagte immer noch nichts.
    Wie lange sie dort stand, diesen und jenen Gegenstand anhob und behutsam wieder zurücklegte, wußte er nicht – sicher nicht länger als ein, zwei Minuten, aber es waren die längsten ein, zwei Minuten seines Lebens. War sie schockiert, war das der Grund? Trotz allem, was sie so redete, war sie ja doch eine Frau aus der Stadt, und vielleicht hatte sie eine völlig andere Vorstellung davon, wie ein Blockhaus in der Wildnis wirklich aussah, irgendeine innerlich ablaufende Fernsehphantasie von einer Art Ponderosa Ranch mit laubgrünen Fensterläden, einladender Veranda, gefliester Küche und handbetriebener Wasserpumpe. Sein Herz raste. Er hatte Schluckbeschwerden. Draußen jaulten die Hunde. Und nie zuvor hatte sein Haus so eng, so erbärmlich und klein gewirkt, so sehr wie eine Zelle, wie ein Pennerpalast, wie die jämmerlichste, verrückteste Vorstellung einer baufälligen Hütte auf der ganzen Welt. Der Boden war völlig verdreckt. Es war kalt wie in einem Grab. Er wäre am liebsten auf die Knie gefallen und hätte geschluchzt. Was hatte er sich denn vorgestellt? Was um Himmels willen hatte er sich vorgestellt?
    »Ich muß den Boden endlich mal streichen«, sagte er. »Das ist das nächste Projekt. Das steht jetzt wirklich an.«
    Da drehte sie sich zu ihm um, und jetzt standen ihr die Tränen in den Augen. »Ach, Sess«, sagte sie, »das ist ja alles ... so wunderschön .«
    Gemeinsam fütterten sie die Hunde – große Näpfe mit Maispampe, getrockneten Fischresten und ein paar grünlichen Stücken von einem im vergangenen Herbst geschossenen Elch –, dann brachte er den Ofen in Gang und braute ihr einen Kaffee mit Kondensmilch und so viel Zucker, daß der Löffel darin stand. Tisch und Bett, die gegen die Wand geklappt waren, wenn man sie nicht brauchte, wurden heruntergelassen und ruhten jetzt auf Fichtenholzstützen. »Reine Platzfrage«, erklärte er ihr, »bloß nichts im Weg haben und darüber stolpern.« Sie setzte sich auf das Bett, auf die dünne, schmale Matratze, die er vor zwei Jahren im Kanu den Fluß hinaufgebracht hatte, und ließ sich in den Schlafsack fallen, den er aus den Pelzen von rund hundert Erdhörnchen genäht hatte. Schon nach wenigen Minuten hatte der Ofen die Kälte vertrieben und die leisen Gerüche von Feuchte und Schimmel bezwungen.
    Er setzte sich auf die andere Seite des Betts und hielt seine Kaffeetasse mit beiden Händen fest. »Es ist ein gemütlicher Ort«, sagte er, um die Vorteile seines Blockhauses zu preisen, »sogar bei minus fünfzig Grad. Du wirst dich wundern. Ich meine, du würdest dich wundern.«
    Sie rekelte sich jetzt wohlig in dem Stapel von Pelzen – Luchs, Fuchs, Wolf –, die er um sie aufgeschichtet hatte. »Das ist ja gut zu wissen«, sagte sie. »Aber mit all diesen Pelzen und diesem wunderschönen Schlafsack – echt gute Näharbeit übrigens, Sess, ich bin beeindruckt – hättest du es ja wohl sogar ohne Ofen warm.«
    Er fand, er hätte es sogar noch wärmer, wenn er jemanden mit im Schlafsack hätte, und ehe er sich bremsen konnte, sprach er den Gedanken laut aus. Dann senkte er den Blick.
    Ihre erste Reaktion darauf war ein Lachen, fröhlich und musikalisch, ein Lachen, das das Haus anwachsen ließ wie einen Konzertsaal. Er hob die Kaffeetasse an die Lippen, um sie unbeobachtet ansehen zu können. Ihre Miene wurde ernst. Sie drückte sich gegen seinen Körper und griff nach seiner Hand. »Ja, das wäre nett«, sagte sie mit etwas kehliger Stimme. »Aber ich möchte nicht, daß du hier auf falsche Gedanken kommst – was ja leicht passieren könnte, glaube ich, immerhin stand in meiner Anzeige, daß ich einen echten Mann suche und so ...«
    Er hielt über das Bett hinweg ihre Hand,

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