Drop City
Tanz?«
Die Musicbox spielte »Mystic Eyes«, einen seiner Lieblingssongs, aber nicht unbedingt etwas zum Tanzen. »Nächstes Mal«, sagte er.
Sie stieß ein Lachen aus. »Typisch, du bist ja wie alle Männer, hast Angst vor deinen Füßen. Wir wär’s, wenn wir einfach auf eine langsame Nummer warten?«
Jetzt versuchte er eine Ausrede: »Aber ich möchte eigentlich nicht, daß du deine erste Nacht in meiner Baracke hier im Ort verbringen mußt – und du willst das doch auch nicht, oder? Vergiß nicht, wir haben noch eine dreistündige Paddeltour vor uns, gegen den Strom, bis wir bei meinem Blockhaus sind ...«
Sie sagte ihm, daß sie ihn süß fand. Und daß es ihr gefiel, wie seine Stirn jedesmal, wenn er sich aufregte, von zwei parallelen Falten gefurcht wurde. Dann grinste sie und streckte die Beine, so daß er und jeder andere in der Kneipe sie in ihrer gesamten schimmernden Länge bewundern konnte, ehe sie ihm zustimmte. »Hast ja recht«, sagte sie. »Ich möchte dein Haus sehen, ich meine, darum geht’s doch schließlich. Oder zur Hälfte, oder zu einem Drittel jedenfalls. Es macht mir nur einfach so großen Spaß hier.«
In diesem Moment drängte sich Joe Bosky hinein.
Er baute sich über ihrem Tisch auf wie ein Kellner, er stank nach irgendwas – Fisch, Kotze, Schweiß –, und in der Tiefe seines Barts bleckte er grinsend die Zähne wie irgendein Vieh in der Falle. Er trug ein Hemd in Tarnfarbe, auf dessen Brusttasche die Abkürzung U.S.M.C. aufgedruckt war, und ein khakifarbenes Käppi mit flachgedrückter Krempe. Seine Jeans sahen aus, als hätte er sie von einem Leichnam gefleddert. Und so rochen sie auch. »Hey«, sagte er und beugte sich über den Tisch, ohne Sess weiter zu beachten, »wie ich höre, bist du die Lady, die nach einem Mann Ausschau hält, stimmt das?«
Pamela hatte ihn noch nie gesehen, und sie war die Sorte Mensch, die für jeden ein Lächeln übrig hat, also grinste sie zurück und sagte: »Das ist richtig. Aber ich wußte gar nicht, daß ich so berühmt bin.«
Sess kam auf die Beine. »Wir müssen los«, wiederholte er.
»Ich wollte mich erkundigen, ob ich vielleicht noch mit auf die Liste kommen könnte«, sagte Joe Bosky und ignorierte ihn weiterhin. »Weißt du, ich bin ziemlich gut organisiert hier draußen – bau mir gerade ein Haus oben am Woodchopper Creek, das ist beinahe fertig –, und ich wollte mal fragen, ob ich, na ja, ob ich mal gratis ’ne Proberunde drehen könnte?«
Pamelas Lächeln verschwand.
»Ich meine, ich hab einen Schlafsack auf dem Rücksitz im Auto, falls du dich eine Viertelstunde lang freimachen kannst ...«
Sess zielte mit der Faust genau auf sein Ohr, aber Bosky hatte ihn aus dem Augenwinkel beobachtet und daher die Zeit, den Unterarm zu heben und den Schlag abzulenken. Im nächsten Moment fielen sie übereinanderher, rollten über den Fußboden, wobei kleinere Schäden am Geschirr und an einem der wackligen Holzstühle entstanden, ehe man sie wieder trennen konnte. Bosky stieß ein paar ekelhafte Kommentare aus – er brüllte, stinkwütend im Griff von drei Männern: Drohungen, Anschuldigungen und Prophezeiungen, und immerhin gab es hier oben keinen Gesetzeshüter, es sei denn, man ließ den Sheriff aus Fairbanks einfliegen, damit er sich die Leiche ansah –, die Sess ebenso lautstark erwiderte. Er hatte diese Seite seines Charakters – Fluchen und so – eigentlich vor Pamela nicht zeigen wollen, aber von allen Menschen dieser Welt war Joe Bosky derjenige, der ihn wirklich zum Überkochen bringen konnte.
Draußen auf dem Parkplatz, als die Moskitos in Massen auf sie losstürzten und sie rasch in den Pickup stiegen, um den knappen Kilometer zu der Hütte am Fluß zu fahren, wo das Kanu sie erwartete, wirkte Pamela etwas durcheinander, und das tat ihm leid, ja wirklich. »Worum ging es denn jetzt?« fragte sie. »Dieser Kerl – ich meine, ich hab ja schon etliche Typen mit Buschkoller gesehen, aber der kann einem echt angst machen.«
Sess saß auf dem Fahrersitz, unter ihm erwachte der Wagen ratternd zum Leben, und er starrte einen Moment lang nur aus dem Fenster. Was mit dieser Welt nicht stimmte, hieß Joe Bosky. Vor Typen wie Joe Bosky rannten die Leute nach Alaska davon. Und dann stand Joe Bosky, kalt und poliert wie Metall und frisch angeliefert vom U.S. Marine Corps, ausgerechnet hier am Ende der allerletzten Straße der Vereinigten Staaten, wo er sich mit der ganzen Welt anlegte. Sess atmete schwer und war sauer, obwohl
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