Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
leistete, in weißen Stöckelschuhen, die an den Spitzen von Schlammspritzern wie mit Lilienmustern gesprenkelt waren. Weiter hinten in der Menge entdeckte sie Richie Oliver, Hand in Hand mit einer unscheinbaren Frau in Jeans und roter Bluse, und auch Howard Walpole war da, ein guter Verlierer, echter Sportsgeist allenthalben, obwohl sie auf Howard auch hätte verzichten können. Die Mundharmonika verstummte, und sogar die Hunde hörten auf zu kläffen. Der Fluß plätscherte in seinem Bett. Willst du diesen Mann? Ja, sagte sie, das will ich.
    Danach folgte Ausgelassenheit, jene Sorte ungehemmter, ungestümer Ausgelassenheit, die nur eine seit langem im eigenen Saft schmorende Hinterwäldlerstadt aufbringen kann. Jemand zückte eine Gitarre, ein anderer seine Fiedel. Ein Banjo tauchte auf. Dann ein Waschbrett. Man tanzte, trank und aß, die Hochzeitstorte verlor ein Stockwerk nach dem anderen und verschwand schließlich in einem Residuum aus Zuckerguß und Krümeln, Steaks und Rippchen waren bald nur noch ein paar angenagte Knochen, Flaschen hatten nichts mehr zu bieten. Pamela stand neben Sess, hatte den Arm um seine Taille gelegt und trank flußwassergekühlten Champagner aus einem Plastikbecher, während ihre Ohren dröhnten von den Glückwünschen der Leute, die sie zum Teil gar nicht kannte, und sie bedankte sich für den geräucherten Weißfisch, die Kressesamen, einen Satz Karabiner und einen Kanister Motoröl, ganz zu schweigen von den praktischeren Sachen wie einem Zwanzig-Kilo-Sack Maismehl und dem Nachthemdchen, das so groß war wie drei aneinandergenähte Scheiben Brot.
    »Sess, ich weiß ja, daß du auf die offene Natur stehst«, sagte ihre Mutter zu ihm, »genau wie mein Victor, aber das bedeutet doch hoffentlich nicht, daß du ganze Tage durch die Wälder streifen mußt, während mein kleines Mädchen einsam und verlassen in diesem winzig kleinen Häuschen hockt, oder? Denn ich mache mir so meine Gedanken. Wirklich.«
    »Ich mache mir auch Gedanken«, erwiderte Sess mit ruhigem Lächeln, »aber was Pamela angeht, sind alle Sorgen gänzlich unbegründet.« Zum Abschluß dieser kleinen Ehrenerklärung wollte er ihre Mutter direkt ansprechen, doch Pamela spürte, daß er noch nicht recht wußte, wie er sie überhaupt nennen sollte, ob ein lockeres »Mom« gut ankommen würde oder ob er nicht lieber auf »Mariette« oder gar »Mrs. McCoon« zurückgreifen oder sich einfach nur leise räuspern sollte. Das war süß, diese kleine Unsicherheit. Richtig liebenswert. Und Pamela stand ihm zur Seite, ein Herz und eine Seele, in seinen Arm eingehängt wie ein Buch, das er zwar noch nicht gelesen, aber sich gleich als nächstes vorgenommen hatte, und sie hatte überhaupt nicht zu lächeln aufgehört, seit sie am Morgen aufgewacht war.
    »Meine Frau wird jede Menge Beschäftigung haben«, sagte Sess, und dabei stahl sich ein Hauch von Verschmitztheit in seine Stimme, »Tiere häuten, Leder gerben, Eis aus dem Fluß heranschleppen, damit wir Wasser haben, Holz für den Herd spalten, nähen, flicken, die Hunde füttern – na ja, und mich füttern, wenn wir schon dabei sind. Dafür sind Ehefrauen doch da, oder?«
    Ihre Mutter trank seit drei Stunden Wodka. Die Sonne knallte auf ihr Gesicht, beleuchtete grausam die dünnen Hautlappen, die der Schönheitschirurg in Arizona ihr wie Wildleder über die Backenknochen gezogen und rund um die Augen gestrafft hatte. Sie stieß ein kurzes Lachen aus und ergriff dann Sess’ anderen Arm, den freien, um sich bei ihm einzuhängen. »Wenn du mich fragst«, sagte sie und legte eine Kunstpause ein, »dann gibt’s nur eine Sache, bei der eine Frau gut, wirklich gut sein muß ...«
    Sess lief rot an, und ihre Mutter, die das Spielchen genoß, fuhr gleich fort: »Aber ich glaube ja nicht, daß ich einem erwachsenen Mann wie dir erklären muß, was genau das ist, oder etwa doch, Sess?«
    In diesem Moment stieß Pris mitten aus dem Gewühl der Tanzenden einen Juchzer aus, worauf sie alle drei den Kopf drehten und sie im festen Griff von etwas Unbändigem sahen, eines wild herumtobenden schwarzhaarigen Knäuels von Bewegung, das ohne weiteres ein Bär hätte sein können, der ihr an die Kehle ging, doch es war etwas anderes. Pamela brauchte einen Moment, bis sie begriff, weil sie die Menschen hier noch nicht kannte und zudem im Wirbelwind ihres ganz persönlichen Dramas gefesselt war: Joe Bosky hatte sich auf die Party eingeladen. Er trug ein verwaschenes Militärhemd und die Bluejeans,

Weitere Kostenlose Bücher