Drop City
verschleierten Braut Arm in Arm mit einem bärtigen Trapper im Holzfällerhemd. Pamelas Mutter traf mit einem Buschflieger ein, zwei Hüpfer und ein weiter Satz vom Flugplatz von Fairbanks herüber, Wetter nicht weiter schlimm, ihr Lächeln war ungetrübt und bestrahlte jeden im Ort wie eine zweite Sonne, sogar die Typen mit Buschkoller und die Indianer. Auch Pamela selbst – die sich mit Pris im Hinterzimmer von Richard Schraders Haus eingerichtet hatte, um Make-up aufzulegen und in das weiße Satinkleid mit Brüsseler Spitze zu schlüpfen, das ihre Mutter zu einer ähnlich bedeutsamen Gelegenheit getragen hatte, zwei Wochen nachdem die Japaner über Pearl Harbor hergefallen waren – konnte offenbar nicht aufhören zu lächeln, und sie wollte es auch gar nicht. »Gib mir einen Zug davon«, sagte sie, während sie vor dem Spiegel stand, und wies auf das Spiegelbild der Zigarette, die von der Unterlippe ihrer Schwester hing.
»Was?« fragte Pris, die ihr das Haar mit einem Schildpattkamm fiederte, und hob die nackten Arme.
»Einen Zug. Von deiner Zigarette.«
»Dir? Aber du rauchst doch gar nicht.«
Ihr Blick heftete sich auf den ihrer Schwester im Spiegel, und es war, als wäre sie wieder zehn Jahre alt. »Heute aber doch. Heute werde ich alles tun.«
Und dann versammelten sie sich in dem gemeinschaftlichen Hof, der Richards Haus mit der Baracke von Sess vermählte, und aus dem Hof war der herumliegende Schrott – abgefahrene Reifen, rostige Maschinenteile, weggeworfene Geweihe, Holzkisten, Benzinfässer und Schnapsflaschen, Fischernetze, Badewannen, Fallen, kaputte Schneemobile und lecke Kanus – auf die Rückseite der Gebäude und damit einstweilen außer Sicht geschafft worden. Sess trug ein Fischgrätenjackett, das er sich für diesen Anlaß geliehen hatte, dazu eine Krawatte, so dünn wie ein Bändchen, und das Weiß seines Oberhemds hätte weißer und die Jackettärmel hätten länger sein können, aber es war ja keine Modenschau, und die Fotografen von Vogue schienen ohnehin zu Hause geblieben zu sein an diesem sonnigen Nachmittag. Die Braut und ihre Schwester hatten den Großteil einer Halbliterflasche Pefferminzlikör miteinander geteilt, außerdem ein halbes Dutzend Kippen, und Pamela hatte keine Bedenken, als sie vorsichtig die verwitterten Stufen auf der Rückseite von Richard Schraders Haus hinuntertrippelte, hinein in die Leere, die ihr wanderlustiger Vater hinterlassen hatte.
Denn weil es niemanden gab, der die Braut zum Altar führen und dort freigeben konnte, hatte Sess den ältesten Mann des Ortes, Tim Yule, gebeten, diese Funktion zu übernehmen, und jetzt hakte sich Tim bei ihr ein, und sie duchschritten den Hof zu den Klängen von »Here Comes the Bride«, dargeboten auf Skid Dentons Mundharmonika. Blechern und pfeifend drängte sich die Musik der Struktur dieses Tages auf, sie schwang sich auf die unterkühlte Brise vom Fluß und orchestrierte den Rhythmus der sanft schwingenden Bäume. Tim roch nach Bourbon und nach Aftershave, und auf seinen Stiefeln glänzten diverse Klumpen feuchter schwarzer Schuhwichse. Vornübergebeugt und weißhaarig, mit Triefnase und vom Saufen geröteten Wangen, führte er sie so gemessen aufs Parkett, daß es praktisch in Zeitlupe war. Unter den Gästen kam Gemurmel auf. Pamelas Sinne waren geschärft. Sie fühlte sich weder schwach noch nervös, noch traurig, sondern nur begierig – begierig und energisch, bereit, ihr Leben weiterzuleben. Sie hatte siebenundzwanzig Jahre darauf gewartet, und jetzt gab es kein Zurück mehr.
Rauch vom Grill kroch über den Hof. Jeder Hund im Ort jaulte an seiner Kette, angefeuert vom säuerlich-langweiligen Gejammer der Mundharmonika und vom vorüberwehenden Aroma von Elch- und Kariburippchen, von gegrilltem Lachs und Steaks und Würstchen, reichlich übergossen mit scharfer Sauce. Am anderen Ende des Hofs, unwirklich im Sonnenlicht vom Fluß, erwartete sie Sess mit Richard Schrader, dem Trauzeugen, an seiner Seite. Ihre Mutter war auch da, sie stand links von Sess, in Tränen aufgelöst, und sie klammerte sich an Pris, als wollte sie sich aus dem Treibsand retten.
Leiter der Zeremonie war Wetzel Setzler, Besitzer des Three Pup und des Gemischtwarenladens, Postvorsteher, Bürgermeister und örtlicher Vertreter einer großen Versicherungsgesellschaft. Drei Viertel der Bevölkerung von Boynton waren erschienen, Bierflaschen und Plastikbecher mit Bourbon und Wodka in den Händen, und sahen zu, wie Pamela das Ehegelöbnis
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