Drop City
verführerisch. War das ein Friedensangebot – immerhin hatte sie ihn ja nicht in den Knast gebracht; sie war nicht mal bei der Verhaftung dabeigewesen –, oder wollte er sie bloß vögeln wie all die anderen Freaks?
»Ich brauch nichts«, sagte sie, und Dale Murray verschwand im Dunkel. Star nahm einen Schluck von ihrem Wein und drehte sich zu Ronnie um. »Und, was ist mit deinem Hemd passiert?«
Ronnie rollte die Augen und starrte dann in die Ferne. Er zuckte die Achseln. »Hab ich ins Feuer geworfen. Norm hat doch gesagt, wir sollten unseren alten Scheiß ins Feuer werfen, stimmt’s? Den Scheiß mit den negativen Schwingungen, ja? Laßt das alles hinter euch, das hat er doch gesagt?«
Sie brauchte eine Weile. »Das Hemd, das ich für dich genäht habe?«
Sein Blick kehrte zu ihr zurück, einschüchternd und vorwurfsvoll. Er tastete nach der Perlenkette an seinem Hals. »Und was hast du ins Feuer geschmissen, vielleicht eine kleine Voodoo-Puppe mit meinem Gesicht? Oder das Türkisarmband, das ich dir in Sedona gekauft hab? Das seh ich nicht an dir. Das seh ich dich überhaupt nicht mehr tragen ...«
»Okay, hör zu: tut mir leid. Ich hab dich gern, wirklich, aber du mußt begreifen ...«
»Was muß ich begreifen?«
»Marco. Ich bin jetzt mit Marco zusammen, das ist alles.«
»Scheiße, Mensch, und wer ist Marco? Ich kenn dich seit der fünften Klasse . Verdammt, wir sind doch gemeinsam hergefahren, wir haben jede Menge Abenteuer miteinander erlebt, weißt du noch? Bedeutet dir das gar nichts?« Er beugte sich vor, um die leere Flasche ins Feuer zu werfen, und es gab wieder einen Knall, als die Hitze das Glas zerspringen ließ. »Ach, ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt nach Alaska will, wenn das so läuft – ich meine, nehmen wir dann den Studebaker, oder wie? Und Marco, was ist mit dem – der hat ja wohl kein Auto, oder? Ganz zu schweigen von den anderen. Wie sollen wir da eigentlich hinkommen?«
Und was hatte sie Lydia erst gestern in der Küche sagen hören? Ich seh mir keine Pornos an, ich mach das selber. Genau. Bräute und Freaks. Freie Liebe. Er war so voller Scheiße, daß sie ihm schon zu den Ohren rauskam. Trotzdem ergriff sie seine Hand und drückte sie. »Star und Pan«, sagte sie.
»Weißt du, ich dachte erst, du kommst zu mir rüber, um mich zu fragen, ob ich noch ein paar Downers übrig hab – weil ich dich nämlich bis auf die Knochen gut kenne und mir denken kann, daß du heute nacht mal gut schlafen willst, hab ich recht?«
Sie schenkte ihm ein breites Lächeln. »Gedankenleser.«
»Da mußt du allerdings ein Stück mitkommen«, sagte er, nachdem er sich gedankenverloren die Jeanstaschen abgeklopft hatte. »Bin leicht paranoid geworden und hab meinen Vorrat unter einem Stein im Wald versteckt. Ist keine drei Minuten von hier.«
Und dann verschwanden sie im tiefen Loch der Nacht, die alles Licht in sich verschlang, wie in einer schwarzen Grube, und Star tastete sich barfuß ihren Weg, Ronnies Hand hielt ihre fest wie ein Magnet. Durch den Garten und in die Bäume hinein, allmählich paßten sich auch ihre Augen an, und sie sah, daß der Mond schien und ein mildes Licht über jedes Blatt und jeden Halm goß, bleiche Streifen zeichneten die dunklen Baumstämme, und ein gespenstisch erhellter Teppich breitete sich einheitlich über den Boden von einer Ecke der Nacht bis in die andere. In der Ferne rief eine Eule. Die Luft schmeckte gut, sauber und kühl, wie ein Spritzer Wasser. »Sag mal, wohin bringst du mich eigentlich?«
Ronnie schlang seine Finger um ihre, drückte ihre Hand kurz und fest. »Gleich da vorn, bei dem Felsen – siehst du den Felsen?«
Vor ihnen ragte ein großer Knubbel aus freigelegtem Sandstein auf und schimmerte sanft im Mondlicht, ein gewaltiger Felsen, den man vom Küchenfenster sehen konnte. Bei Tageslicht war es ein Lieblingsplatz der Eidechsen – und von Jiminy, der sich gern an den Felsen lehnte, wenn er las oder meditierte oder was immer er eben gern allein tat. Der Anblick des Felsens – daß sie ihn so gut kannte, daß er ihr vertraut war – machte sie traurig. Ihr würden diese Plätze fehlen.
Ronnie ließ ihre Hand los und bückte sich in das Dunkel hinein, sie hörte ihn irgendwo unten rumoren, ein Rascheln von Zweigen und dann das Zischeln eines Plastikverschlusses. »Ich hab Seconal da«, sagte er. »Wieviel willst du, zwei?«
Sie spürte die Berührung seiner Hand, das beinahe unmerkliche Gewicht der beiden glatten Kapseln. Sie
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