Drowning - Tödliches Element (German Edition)
in Ordnung, wenn ich in einer Viertelstunde mit einem Kollegen vorbeikomme?«
»Ja«, sage ich, obwohl ich nicht will, dass sie herkommt, und auch nicht weiß, ob es Mum recht ist. Aber ich habe so ein Gefühl im Bauch, dass ein Nein alles noch schlimmer machen würde.
Sie legt auf.
»Wer war das?«, fragt Mum.
»Die Polizei.«
Ich sehe den Kieferknochen unter ihrer Haut, als sie die Zähne zusammenbeißt.
»Sie wollen in ein paar Minuten vorbeikommen. Mich befragen. Die eine hab ich vorhin getroffen.«
Sie schaut auf den Tisch. Sie knüllt den Trauerprospekt zusammen, aber ich glaube, das merkt sie gar nicht.
»Was ist los, Mum? Wieso wolltest du nicht an dein Handy gehen?«
»So haben sie es mir gesagt«, antwortet sie leise. »Die Polizei hat angerufen und mir gesagt, es wär … es wär was mit Rob. Ich war noch am Apparat, als plötzlich jemand in den Pub gerannt kam und meinte, Rob ist tot. Und du auf dem Weg ins Krankenhaus.«
»Tut mir leid. Tut mir leid, Mum.« Plötzlich mache ich genau das Gleiche – entschuldige mich für Dinge, für die ich nichts kann, genau wie es die Polizistin getan hat.
Fünfzehn Minuten. Die Polizistin kommt in fünfzehn Minuten. Ich schaue auf den Fußboden – auf die Grillpfanne, die schwarzen Toastreste, die Blumen, die Folien. Mir fallen die Bierdosen ein, die um das Sofa herum liegen. Ich kann nicht zulassen, dass sie die Wohnung so sieht.
»Hör zu«, sage ich. »Sie wird bald hier sein. Lass uns noch ein bisschen aufräumen.«
Ich hebe die Grillpfanne auf und schiebe sie zurück in den Schlitz. Ich werfe die verbrannten Toastscheiben in den Mülleimer und fange an die Blumen aufzuheben.
»Mum, wieso holst du nicht schon mal die Bierdosen aus dem Wohnzimmer, während ich hier den Boden wische. Was nehm ich dafür?«
»Unter der Spüle«, sagt sie, macht aber keine Anstalten, aufzustehen.
Im Schrank unter der Spüle steht ein Plastikeimer mit einem Lappen, der über den Rand hängt, daneben eine Flasche Putzmittel.
Ich stelle den Eimer in die Spüle. Dann drehe ich beide Hähne auf. Wasser donnert hinein. Eine Schaumschicht entsteht und steigt in dem Eimer hoch. Und in mir steigt wieder die Angst auf. Gott, es ist doch nur Wasser. Reiß dich zusammen!
Ich laufe ins Wohnzimmer und hebe die leeren Bierdosen auf. Als ich zurückkomme, ist der Eimer fast voll. Ich stopfe die Dosen in den Müll und drehe die Hähne wieder zu. Mum sitzt noch immer am Tisch.
»Mum, bitte …«
Sie schaut zu, als ich den Eimer auf den Fußboden hieve. Ich tauche den Lappen in das seifige Wasser. Es ist eiskalt. Ich wringe den Lappen aus und ein Schrei schießt mir durch den Kopf. Er ist so laut, dass es schmerzt, gerade so, als ob jemand mit einer Stricknadel in das eine Ohr hineinsticht und zum andern wieder hinaus.
Ich reiße den Kopf hoch. Das Schreien hat aufgehört, doch ich bin verwirrt, orientierungslos.
Ich rücke den Eimer nach vorn. Wasser spritzt über den Rand. Eine Pfütze breitet sich aus. Ich beuge mich vor, strecke mich, um sie aufzuwischen, und plötzlich spüre ich einen Druck in der Kehle. Ich schlucke heftig, aber irgendwas kommt in mir hoch und plötzlich ist mein Mund voll kalter, ekliger Flüssigkeit. Ich stehe auf und erbreche mich in die Spüle. Als das Zeug aus dem Mund kommt, steigt mir der Gestank von etwas Schalem, Abgestandenem, Schlammig-Schleimigem in die Nase.
»O Gott!«, presse ich heraus und ringe nach Luft.
»Was –?« Mum ist endlich aufgestanden. Sie starrt auf die Lache, die sich um den Abfluss gebildet hat – braune Flüssigkeit, von Schleim durchzogen –, dann dreht sie den Wasserhahn auf, um sie wegzuspülen. »Wasch dir den Mund aus«, sagt sie. Ihre Worte klingen hart, doch sie legt mir die Hand zwischen die Schulterblätter und bewegt sie sanft auf und ab. Und ich erinnere mich an andere, ähnliche Situationen. Den Kopf über der Kloschüssel, ich kotze mir die Eingeweide aus dem Leib und eine beruhigende Hand liegt auf meinem Rücken. Es ist Robs Hand, nicht ihre.
Ich hänge meinen Kopf unter den Hahn und ziehe sauberes Wasser in den Mund, blähe die Wangen auf, spüle es von einer Seite zur andern, spucke es wieder aus.
Ich komm dich holen, Cee. Es ist die Stimme, die ich schon öfter gehört habe. Sie ist direkt neben mir.
Ich richte mich auf.
»Hast du das gehört?«, frage ich Mum.
»Was?«
»Die Stimme.«
Sie schaut verständnislos.
»Ich hör nur den Wasserhahn laufen und wie du spuckst. Bist du jetzt
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