Drowning - Tödliches Element (German Edition)
sehe. Bist du nicht gestern erst aus dem Krankenhaus gekommen?«
Sie scheint über mich alles zu wissen, ich aber kenne sie nicht. Wenigstens glaube ich das. Plötzlich fällt mir die Dose in meiner Tasche wieder ein, die Schachtel Zigaretten, das Messer, das Handy, die Fotos. O Gott. Ich verschränke die Arme vor meiner Brust.
»Mit mir ist alles in Ordnung«, antworte ich und meide ihren Blick.
»Ich war vorhin schon mal bei euch, aber es hat niemand aufgemacht«, sagt sie. »Wir müssen mit dir sprechen, wegen Dienstag. Ich weiß, du hast schon im Krankenhaus mit jemandem gesprochen, aber es ist einfach wichtig. Wir müssen noch mal alles durchgehen. Bist du jetzt gerade auf dem Weg nach Hause?«
»Ja, aber ich weiß nicht …« Ob das Haus immer noch leer ist. Wo Mum hin ist. Ob sie jemals zurückkommt.
»Schon gut. Ich rufe deine Mum an. Ob ich vorbeikommen kann. Aber es muss unbedingt heute noch sein, ehrlich. Lieber früher als später.«
Sie sagt es freundlich, trotzdem klingeln bei mir die Alarmglocken. Was will sie? Ich habe ihr nichts zu sagen. Alles, woran ich mich erinnere, sind Dinge, die man keinem Bullen erzählt.
»Ja, okay …«, antworte ich vage und gehe los.
»Tut mir leid wegen Rob«, sagt sie. Ich bleibe stehen und starre zu Boden. »Wir hatten unsere Höhen und Tiefen, aber es hat mir wirklich sehr leidgetan, als ich hörte, was mit ihm passiert ist. Ist eine schreckliche Sache.«
Ich nicke so halb und breche wieder auf. Ich muss einfach weg hier.
»Also bis nachher, okay?«
»Ja, okay«, sage ich.
Ich renne los zu unserer Wohnung, muss aber schnell wieder stehen bleiben. Mir ist fast schlecht, ich fühle mich plötzlich unangenehm voll. Colatrinken und laufen vertragen sich einfach nicht.
Die Wohnung ist immer noch leer. Ich hole ein paarmal tief Luft, wie sie es mir im Krankenhaus gezeigt haben, versuche alles aus dem Kopf zu bekommen – Mum, Rob, die Polizei, Neisha – Gott, Neisha. Es juckt mich, das Handy hervorzuholen und die Fotos anzuschauen, aber mein Magen fängt an zu rumoren und ich merke, dass ich nicht weiß, wann ich das letzte Mal etwas gegessen habe. Das ist mir jetzt wichtiger als die wachsende Panik in mir, und ich mache schnell etwas zu essen. Ich stecke zwei Scheiben Brot in den Toaster und drücke den Hebel nach unten, aber nichts passiert. Der Hebel ploppt einfach wieder hoch. Keine Hitze, nichts. Okay, dann lege ich die Scheiben eben in den Grill. Ist ja alles elektrisch, also muss ich nur den richtigen Knopf finden und den Grill anstellen. So schwierig kann das ja wohl nicht sein. Ich stelle ihn an – diesmal vier Scheiben fein säuberlich nebeneinandergelegt – und wende mich meinen Bohnen zu. Ich hole einen Topf aus dem Schrank, knalle ihn auf die Herdplatte, stelle sie an und kippe die Bohnen in den Topf.
Dann gehe ich ins Wohnzimmer und mache den Fernseher an, um mich von der Polizistin abzulenken. Es läuft irgend so eine Kochsendung. Ich schaue zu, wie der Typ auf dem Bildschirm jede Menge Gemüse klein hackt und brät. In der Pfanne brutzelt schon ein Stück Fleisch. Er wendet es, fügt andere Sachen hinzu und gießt irgendeine Soße drüber – ehrlich gesagt sieht das Ganze ziemlich lecker aus. Meine Augen kleben förmlich an diesem Essen. Ich kann es fast riechen und der Schmerz im Magen schlägt jetzt voll zu, sticht wie wild gegen die Außenwand. Der Typ hebt das ganze Essen auf einen großen quadratischen weißen Teller und beugt sich vor, um seine Schöpfung zu beschnuppern.
Ich atme mit ein, erwarte den Geruch von Fleisch und Zwiebeln und keine Ahnung, von was noch. Doch es ist Rauch, der sich beißend und übelkeiterregend im Hals festsetzt. Scheiße! Ich springe zurück in die Küche. Grauer Rauch quillt aus dem Grill. Ich packe die Grillpfanne, verbrenne mir die Finger, als ich versuche, sie aus dem Ofen zu ziehen. Ich lasse sie fallen, auf den Haufen verwelkender Blumen. Die Plastikfolien zischeln und schrumpeln von der Hitze zusammen. Das Toastbrot ist schwarz und die Bohnen im Topf sind fast weg. Was ist denn nur los mit mir? Ich wollte doch bloß etwas essen. Ich habe so einen Hunger. Die Tränen, in die ich vorhin beinahe ausgebrochen wäre, sind wieder da.
Wieso ist Mum nicht hier, um das zu machen? Wieso hat sie mir nicht beigebracht, was ich tun muss? Verdammte Scheiße, wo ist sie?
Ich stehe in der Küche, die Hände hängen an mir herunter und ich heule wie ein kleines Kind.
»Carl?«
Sie ist da, steht im
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