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Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Titel: Drowning - Tödliches Element (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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bezahlen soll.
    »Kann ich das anschreiben lassen?«, sage ich nervös zu dem Typen.
    Er sieht mich ungläubig an.
    »Was ist?«, fragt er.
    »Ob ich das anschreiben lassen kann? Mum ist nicht da und hat alles Bargeld mitgenommen.«
    Seine Hand schießt nach vorn und fasst nach der Dose Bohnen. Ich war bescheuert, es überhaupt zu versuchen, aber was sollte ich machen?
    »Was willst du hier, wenn du kein Geld hast? Was hast du in meinem Laden zu suchen?« Seine Stimme ist viel zu laut und ein bisschen Spucke landet auf der Hand, die die Dose festhält.
    Hinter mir höre ich spöttisches Murmeln, doch die Frau wühlt bereits in ihrem Portemonnaie. Sie reicht mir ein Zwei-Pfund-Stück.
    »Schon gut, Ashraf«, sagt sie. »Hier, Carl, zahl damit.«
    Ich lächle sie dankbar an, lege das Geldstück auf die Theke und schiebe es Ashraf hin.
    Er bläst die Luft langsam zwischen seinen zusammengezogenen Lippen heraus, nimmt das Geldstück, als ob es HIV-infiziert wäre, und legt mir das Wechselgeld auf die Theke. Ich schaue auf das Geld und dann auf die Frau.
    »Nimm nur«, sagt sie. »Na, mach schon, jetzt nimm schon das Geld. Wie kommt denn deine Mum zurecht?«
    Mit Gewalt. Mit Tränen. Mit Sich-Betrinken und mit Nicht-Da-Sein. Ich spüre, wie mir die Tränen in die Augen schießen. Die Frau ist so freundlich, das bin ich nicht gewohnt.
    »Ganz gut«, sage ich. »Sie hält sich sehr tapfer.«
    »Dann grüß sie herzlich von mir«, antwortet die Frau. »Sag ihr, Sue von der Wäscherei lässt sie grüßen.«
    Ich nicke und stecke die Münzen ein, danach nehme ich die Plastiktüte mit meinen Sachen und verschwinde ganz schnell. Draußen vor dem Laden reiße ich die Cola auf. Sie ist kalt, süß und spritzig, mit diesem leicht prickelnden Biss, den du beim ersten Schluck spürst. Während ich durch den Park laufe, kippe ich die Dose so durstig hinunter, dass mir die Bläschen in die Nase steigen. Und eine weitere Erinnerung kehrt aus dem Nebel in meinem Gedächtnis zurück.
    Ich reiche ihr die Dose und sie nimmt einen herzhaften Schluck, dann reicht sie sie schnell zurück, lacht und wedelt mit der Hand vor der Nase.
    »Alles okay?«
    »Ja, ist mir nur in die Nase gestiegen. Was mir mal wieder sagt, dass ich nicht so schnell trinken soll.«
    Ich setze die Dose an meine Lippen und schlürfe die Flüssigkeit, die sich im oberen Rand gesammelt hat, male mir aus, mit meinen Lippen den Lipgloss zu berühren, den sie dort hinterlassen hat.
    Sie streckt ihre Beine nach vorn, lehnt sich auf der Parkbank zurück und legt die Hände hinter den Kopf. Die Sonne strahlt in unsere Gesichter und Neisha schließt die Augen.
    »Das ist schön«, sagt sie.
    Ich schließe die Augen nicht, sondern trinke von der Cola und schaue in Neishas Gesicht, ihr wunderschönes Gesicht im Sonnenlicht.
    Der Park füllt sich mit Kindern – kleinen auf dem Spielplatz und größeren in Schuluniform, die an dem Teil mit den Metallstreben rumhängen oder auf einem Reifen schaukeln, den jemand in einen Baum gehängt hat. Sie kommen alle von einer Seite her auf den Platz aus Gras und Matsch und es dauert eine Weile, ehe bei mir der Groschen fällt: Sie kommen aus der Schule.
    Schule. Mum hat nichts gesagt und ich hab total vergessen, dass Unterricht ist. Keine Ahnung, scheint einfach nicht wichtig zu sein. Niemand kann von mir erwarten, dass ich in der Schule sitze und alles brav aufnehme, wenn mein Bruder gestorben ist. Ich bin fünfzehn. Ich erinnere mich nicht mal, wer meine Schulfreunde sind. Falls ich überhaupt welche habe. Vielleicht muss ich ja nie mehr zur Schule.
    Ich lehne mich an einen Baum und trinke die Cola aus. Hinter meinen Augen spüre ich etwas Bleiernes, eine Art Druck, und ich merke, dass ich schon wieder kurz davor bin zu heulen.
    Ich schaue zu Boden und scharre mit der Spitze meiner Turnschuhe im Lehm, dann werfe ich die leere Coladose in Richtung Abfallkorb. Sie fliegt dran vorbei. Ich lasse sie liegen, drehe mich um und gehe mit gesenktem Blick zurück Richtung Wohnung.
    »Willst du die nicht aufheben?«
    Ich schaue hoch. Eine Frau in Uniform kommt auf mich zu. Sie ist jung, jünger zumindest als Mum, kräftig, mit rötlich gelockten Haaren, die aus ihrer Mütze herausdringen.  
    »Ich mach’s schon«, sagt die Frau. »Diesmal.« Sie bückt sich, hebt die Dose auf und wirft sie in den Abfallkorb. Dann kommt sie zurück und stellt sich neben mich. »Wie geht’s dir, Carl? Überrascht mich, dass ich dich schon hier draußen herumlaufen

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