Drowning - Tödliches Element (German Edition)
grinse dämlich.
»Tut mir leid, tut mir leid. Weiß auch nicht, was in mich gefahren ist. Gott, wieso hab ich das bloß getan?«
Ich blinzle sie aus den Augenwinkeln an und auch sie lächelt.
»Schon gut«, sagt sie. »Schon gut.«
Und genau in diesem Moment, in dieser wunderbaren Sekunde, diesem Bruchteil an Zeit, den wir teilen, von dem nur wir wissen, fühle ich mich glücklich. Alles andere ist vergessen. Und ich möchte, dass es für immer so bleibt. Ich möchte, dass sie mich immer weiter so ansieht, durch ihre verrückten dichten Wimpern. Ich möchte dieses Licht in ihren Augen festhalten, diese Grübchen auf beiden Seiten von ihrem Mund.
Plötzlich knackt es laut. Wie aus dem Nichts bläst eine Windbö unter den Tischschirm und spannt den Stoff zum Zerreißen. Das ganze Wasser, das sich gesammelt hat, ergießt sich auf Neisha, fast so, als ob jemand einen Eimer umstößt. Die Servietten auf unserem Tisch fliegen ins Gras. Der Tisch wackelt, als sich die Schirmstange aus dem Loch in der Mitte zu hebeln versucht. Neishas Kaffeebecher rollt auf die Seite und kippt den Inhalt in ihren Schoß.
Neisha schreit.
Sie springt auf und schlägt mit den Händen, als ob das das Wasser abschütteln könnte. Sie hüpft kreischend herum. Ihre Haare liegen platt am Kopf durch das Wasser von oben. Die Oberschenkel dampfen von dem heißen Kaffee, der in die Jeans einzieht.
Ich schnappe mir eine Handvoll Servietten vom Nachbartisch, strecke sie ihr entgegen.
»Alles in Ordnung mit dir? Hast du dich verbrannt?«
Das Geräusch, das sie macht, ist irgendein Laut zwischen Lachen und Weinen.
Nach ein paar Minuten Tupfen an Haaren und Kopf, Hals und Beinen hat sie sich wieder so weit gefangen, dass sie richtig lachen kann. Die Frau aus dem Café bringt ihr einen neuen Kaffee – auf Kosten des Hauses – und ein Handtuch. Neisha trocknet sich jetzt richtig ab, wischt noch einmal den Stuhl sauber und setzt sich wieder hin. Die Sonne taucht hinter den Wolken auf und ich spüre ihre Wärme auf meiner Haut.
»Heilige Scheiße, was war das denn? Das war ja wie ein Akt Gottes oder so was Ähnliches!«
Trotz des Sonnenscheins jagen mir ihre Worte einen Schauer über den Rücken. Irgendwie weiß ich ja, dass sie Recht hat. Es war Absicht. Jemand hat dafür gesorgt. Jemand in seiner eifersüchtigen Wut. Und das erinnert mich daran, wie real das Ganze ist. Rob. Er ist immer noch da. Er will Neisha tot.
Ich dachte, ich könnte sie schützen, aber vielleicht schaffe ich das gar nicht.
»Neisha«, sage ich. »Geh auf keinen Fall an den See. Versprichst du mir das?«
Sie neigt den Kopf zur Seite. »Ich glaub ganz einfach, ich muss es tun.«
»Dann zumindest nicht heute. Und geh nicht allein. Nimm mich mit. Versprich mir, dass du nicht allein hingehen wirst.«
»Okay«, sagt sie. »Ich versprech’s dir.«
Sie trinkt ihren Kaffee. Ich wünschte, ich hätte auch Kaffee und keine Cola. Ich mag eigentlich keinen, aber ich will das Gleiche schmecken wie sie.
»Ich denke, ich geh jetzt mal lieber nach Hause, bevor mein Dad vollkommen durchdreht«, sagt sie nach einer Weile.
Ohne den Regen gibt es keine Ausrede mehr, weshalb wir uns aneinanderkuscheln, und so gehen wir nebeneinander aus dem Park, ohne uns noch mal richtig zu berühren. Als unsere Finger aus Versehen zusammenstoßen, schaue ich verlegen in die andere Richtung. Es juckt mich, ihr den Arm um die Taille zu legen, sie an mich zu ziehen, mit ihr im Gleichschritt zu gehen, denselben Rhythmus zu finden wie sie. Aber ich kann nicht … und ich muss auch nicht. Ihre Finger finden meine, fädeln sich ein, so dass sich unsere Hände wie ein Reißverschluss verbinden. Und jetzt sehe ich sie doch an, nur kurz. Sie ist ganz geradeheraus, ganz cool, wie eine, die ständig mit Jungs Händchen hält. Doch der letzte Junge, mit dem sie es getan hat, war Rob.
Ich schiebe den Gedanken beiseite und konzentriere mich darauf, jeden Schritt auf dem Weg vom Park zu ihr nach Hause auszukosten.
Ohne den Regen, ohne Rob fühle ich mich anders. Als wenn mir eine Last von den Schultern genommen wäre. Ich kann mir sogar fast einbilden, dass es das andere gar nicht gibt. Dass nichts davon real ist. Vielleicht bin ich ja gar nicht in einem Albtraum, in einer Horror-Geschichte. Vielleicht stecke ich ja nur in so einer Geschichte, in der schreckliche Dinge passieren, bevor der Junge das Mädchen bekommt. Bevor dieser Junge dieses Mädchen bekommt. Carl Neisha bekommt.
An der Straßenecke, noch
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