Drowning - Tödliches Element (German Edition)
Ich setze mich in den einen und versuche das Durcheinander in meinem Kopf zu ordnen.
Es tut mir leid, dass ich Mum geschlagen habe. Wenn nur sie und ich betroffen wären, könnte ich nach Hause gehen und mich entschuldigen. Vielleicht würde sie zurückschlagen, vielleicht auch nicht. Egal. Ich könnte damit leben. Und ich habe das Gefühl, dass wir klarkommen würden. Wir haben ja schon angefangen zurechtzukommen. Aber jetzt, wo Debbie da ist, ist alles anders. Sie wird reden und reden, wird Mum aufstacheln. Ich kann nicht nach Hause. Nicht jetzt, noch nicht.
Die Sache ist die: Ich weiß, worum es hier geht. Wieso Rob wütend ist. Er ist eifersüchtig auf Neisha und mich, wütend auf mich, dass ich sie vor ihm beschütze. Er will Neisha tot. Und er will, dass ich bezahle, indem ich sie umbringe. Er glaubt, ich schulde ihm Loyalität. Aber ich werde es nicht tun. Niemals. Sie ist so schön und liebenswert und ich glaube langsam, sie könnte meine Freundin werden. Das beste Gefühl, das ich je gekannt habe. Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass er mir dieses Gefühl nimmt.
Ich muss eine Möglichkeit finden, ihm das zu sagen. Aber wie? Er ist doch tot, oder?
Ich lehne mich in dem Klappstuhl zurück und schließe die Augen. Und es ist er, den ich sehe. Sein bleiches Gesicht, den Reißverschluss, der hochfährt bis über den Kopf. Und ich weiß tief im Innern, spüre es in der Magengrube, dass er mir wehtun wird, wenn ich ihn abweise. Er ist im Wasser und das Wasser ist überall. Es ist, als könnte er es gegen mich einsetzen. Und ihn zu sehen, zu hören, zu riechen – Tag für Tag, wieder und wieder – treibt mich immer mehr in den Wahnsinn. Ich habe Mum geschlagen. Was werde ich noch tun?
Ich muss ihn loswerden.
Etwas summt in meiner Tasche, dann plärrt ein Klingelton los. Robs Handy. Einen verrückten Moment lang glaube ich, dass er es ist. Ich ziehe das Handy aus der Tasche, aber ich habe zu viel Angst, auf das Display zu schauen. Dann begreife ich, wie albern das ist. Ich schaue nach. Neisha.
»Carl, wo bist du?« Ihre Stimme klingt schwach, wie wenn sie Kilometer weit weg wäre.
»Ich bin auf der Rückseite von meiner Schule. Und du?«
»Am Ende von unserer Straße. Ich musste einfach raus, ein bisschen Abstand kriegen.«
»Was ist passiert?«
»Erzähl ich dir, wenn wir uns sehen. Können wir uns irgendwo treffen?«
»Natürlich.«
Sie geht nicht auf diese Schule, sie geht auf die am anderen Ende der Stadt, so mit Blazer und Krawatte und »ja, Sir, nein, Sir«. Ich erkläre ihr, wie sie The Sheds findet, und mach mich auf, um ihr entgegenzugehen.
Ich sehe sie, bevor sie mich sieht, und mir wird ganz flau im Magen. So allein wirkt sie schrecklich verletzlich. Mehr denn je, mehr als alles andere. Ich will sie beschützen. Als sie mich sieht, schaut sie weg und wischt sich das Gesicht mit dem Ärmel ab. Als ich näherkomme, sehe ich, wie ihr Mund zuckt – sie versucht nicht zu weinen.
»Neisha, was ist los?«
»Nicht hier. Nicht auf der Straße«, antwortet sie. Wir drehen uns schweigend um und gehen Richtung Schule. Unsere Hände berühren sich und wieder bekomme ich einen Schock von der Wärme, die meinen Arm hinaufstrahlt. Trotz der ganzen Situation wirkt Neisha wie eine Woge der Hoffnung.
Ich führe sie durch die Lücke im Zaun auf das Schulgelände. Jetzt, wo wir von niemandem gesehen werden können, fangen ihre Schultern an zu zucken, ich gehe auf sie zu und lege meinen Arm um sie. Es dauert einige Minuten, bis sie anfängt zu reden.
»Alles ist so schrecklich, so falsch.«
»Ist noch irgendwas anderes passiert?«
»Mein Dad … er sagt, wir ziehen nach Birmingham zurück, wenn die Fabrik hier schließt.«
Es ist, als ob sich der Boden unter mir auftut und uns verschluckt. Sie kann doch nicht wegziehen. Ich kann sie doch nicht verlieren. Nicht jetzt. Ich drücke sie fester an mich, streiche ihr über die Haare und genieße das Gefühl ihrer Hände an meiner Hüfte.
»Er ist vorhin ausgerastet, weil ich länger weg war, als ich gesagt hatte, und das mit –«
»– mit mir?«
»Ja. Er hat Rob gehasst. Jetzt sagt er, dieser Ort ist vergiftet und dass wir nie hätten herziehen sollen …«
Sie zittert wieder. Ich küsse sie auf den Kopf, auf die Schläfe, die Wange. Sie ist so warm, so wunderbar warm. Sie rührt sich ein bisschen, neigt ihr Gesicht zu mir hin und ich finde ihre Lippen. Sie sind weich und feucht und schmecken nach salzigen Tränen. Ich drücke meinen Mund
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