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Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Titel: Drowning - Tödliches Element (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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blöde. Ich knicke die Lasche am Deckel meiner Coladose hin und her, hin und her. Ich muss Neisha schützen. Muss sie von ihm fernhalten …
    »Du willst gar nicht mit mir hier sein, stimmt’s?«
    »Doch, natürlich. Du bist die Einzige … die Einzige, die es verstehen kann.«
    »Ich weiß. Das dachte ich auch. Wir waren als Einzige dort. Wir haben etwas Gewaltiges durchgemacht. Glaubst du, wir werden uns immer … nahe sein?«
    Nahe. Ihre Lippen berühren meine. Ihr Atem auf meiner Haut. Aber wir können uns nicht wirklich nahe sein, wenn sie nicht weiß, was ich durchmache. Wenn ich ihr nicht die Wahrheit sage.
    »Natürlich«, antworte ich. Es hat aufgehört zu regnen. Rob ist fort. Ich entspanne mich ein bisschen.
    »Neisha«, sage ich. »Du weißt doch, wie ich dir geholfen habe …«
    »Ja«, sagt sie. »Das war mehr als nur helfen. Du hast mir das Leben gerettet.«
    Sie sieht mich unter den Wimpern hervor an. Die Wimpern sind sehr dicht, kurz und dunkel und ich überlege, wie es sich wohl anfühlen würde, mit den Fingerspitzen über die Enden zu streichen.
    »Ja, und das möchte ich immer tun. Ich möchte dich beschützen, dafür sorgen, dass du in Sicherheit bist.«
    Ihr Blick wird sanft. Sie fasst nach meinem Arm, berührt mein Handgelenk, und das ändert alles, jagt alle Gedanken an ein Bekenntnis fort. Sie lässt ihre Hand dort liegen, doch plötzlich verdunkelt sich ihr Gesicht.
    »Danke, Carl, aber so etwas wie Sicherheit gibt es nicht, nirgends«, sagt sie. »Wir hängen alle an einem dünnen Faden. Es kann immer etwas passieren, irgendeine Kleinigkeit, und alles ist plötzlich vorbei.«
    »Zum Beispiel Wasser«, sage ich. »Wasser in der Lunge, statt Luft.« Und ein Schauer läuft mir über den Rücken. Neisha merkt es und drückt mein Handgelenk etwas fester. Versucht mich zu beruhigen.
    »Ja«, sagt sie. »Oder eine Zelle im Körper spielt verrückt, wächst zu schnell, übernimmt die Macht.«
    Wir reden jetzt nicht mehr über Rob. Ich nehme an, dass sie von jemandem spricht, der ihr nahesteht, aber ich will nicht spekulieren, nichts Falsches sagen, nicht alles kaputt machen.
    »Wie bei … Krebs?«, frage ich.
    »Meine Mum«, sagt sie und die Finger um mein Handgelenk spannen sich weiter. Einer ihrer Fingernägel drückt gegen meine Haut, gräbt sich hinein. Es ist mir egal. Sie kann mir ruhig etwas von ihrem Schmerz abgeben.
    »Tut mir leid«, sage ich und mache genau das, was alle tun – mich für etwas entschuldigen, das ich nicht getan habe. Jetzt verstehe ich es. Dass es die Kurzform ist von »Tut mir leid, dass du das durchmachen musstest«.
    »Ist ja nicht deine Schuld«, sagt sie. »Niemand ist schuld.«
    »War das –? Ich meine, wie lange ist das –?«
    »Eine Ewigkeit. Ich war damals fünf. Dad ist danach hierher gezogen, um neu anzufangen. Er ist von der Fabrik in Birmingham zu der hier gewechselt. Wahrscheinlich glaubte er das Richtige zu tun …«
    »War es das nicht?«
    Sie schiebt ein wenig die Unterlippe vor.
    »Keine Familie. Keine Freunde. Jahrelang niemand, mit dem du reden kannst, weil du das einzige asiatische Mädchen in der Klasse bist, das einzige asiatische Mädchen in dieser ganzen Scheißstadt. Ich liebe meinen Dad, aber ich habe ihn gehasst dafür, dass er mit mir hierher gezogen ist.«
    Und wenn sie nicht hier gewesen wäre, hätte sie Rob nicht getroffen. Und er hätte sie nicht verletzt und sie hätte nicht versucht, sich von ihm zu trennen …
    »Und jetzt schließt die Fabrik. Weiß der Himmel, was wir dann machen.«
    Ihr Gesicht ist so traurig, nicht tränentraurig, einfach nur resigniert, erschöpft. Ich möchte ihr so gern beweisen, dass sie Unrecht hat. Ich möchte die Welt in Ordnung bringen für sie. Aber was kann ich tun? Was kann denn ich tun, um ihre Situation zu verbessern?
    Ohne nachzudenken, erhebe ich mich halb aus dem Stuhl, beuge mich über den Tisch und küsse sie leicht auf die Wange. Ich schließe die Augen und atme ein, während meine Lippen über ihre Haut streifen. Und mein Kopf ist auf einmal voller weißer Schokolade, Vanille, Pfirsich. Neisha ist einfach Sonnenschein, nicht so ein kraftloses, halbherziges Zeug, wir wir es in England kriegen – sondern totaler, hundertprozentiger tropischer Sonnenschein.
    Plötzlich merke ich, was ich getan habe, und ziehe mich langsam zurück. Ich wage es kaum, die Augen zu öffnen. Und als ich es tue, setzen sofort alle Selbstverteidigungsmechanismen ein. Ich schlage mir gegen den Kopf und

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