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Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Titel: Drowning - Tödliches Element (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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leicht drücke. »Schon gut. War nur so dahingesagt.«
    Wir werden alle ertrinken.
    Aber egal, ob ich unter Wasser bin oder nicht, mir ist jetzt wirklich, als ob ich ertrinke.

FÜNFUNDZWANZIG
    Der Leichnam liegt auf einer Bahre in der Mitte des Raums. Die Decke ist über die untere Hälfte gezogen und er trägt eine Art Kittel, so ähnlich wie ein Nachthemd. Das Teil ist so sauber, sauberer und weißer als alles, was wir zu Hause haben. Genau wie er. Ich hatte erwartet, dass er, dass sein Leichnam so aussehen würde, wie er jetzt auf mich zukommt – schlammüberzogen, triefend vor Nässe. Dass das Wasser aus ihm heraussickern würde. Aber es ist ganz anders. Seine Haut ist glatt und trocken, ohne Flecken im Gesicht. Seine Haare sind gewaschen und getrocknet, die Augen geschlossen. Auf den ersten Blick denkt man, er schläft.
    Aber das da ist nur ein Körper. Ein leerer Körper.
    Das ist nicht Rob, nicht wirklich. Es ist eine Hülle, etwas, das einmal zu ihm gehörte. Ein Teil von mir ist entsetzt, schockiert, im selben Raum zu sein wie sein … wie das da.
    Ich zwinge mich, auf die Bahre zu schauen, dann schaue ich weg. Okay, ich habe es jetzt getan. Ich habe »die Leichenschau« absolviert und bin bereit zu gehen, aber Mum tritt vor und steht an seinem Kopf, und als sie meine Hand umklammert, ganz fest, bleibt mir nichts anderes übrig als mitzukommen. Debbie bleibt an der Tür stehen, ausnahmsweise still, die Hand gegen den Mund gepresst.
    Draußen heult und ächzt der Sturm und schleudert Regen gegen das kleine, hohe Buntglasfenster über dem Kopfende der Bahre.
    Mums Gesicht ist in Bewegung, es zuckt und flattert, ihre Gefühle brodeln und beben unter der Haut. Wollen aus ihr herausbrechen. Und dann kommen sie, mit einem schweren Seufzer und gewaltigen, feucht klingenden, hässlichen Schluchzern. Sie lässt meine Hand los und beugt sich über ihn, legt ihren Kopf auf seine Brust. Ihre Bewegungen, Zuckungen erschüttern den Leichnam und die Bahre.
    Ich schaue mich um, besorgt, ob es erlaubt ist, ihn zu berühren und so viel Lärm zu machen. Die Frau im schwarzen Kostüm, die uns hereingeführt hat, ist noch da, steht an der Tür, neben Debbie. Mit beiden Beinen fest auf dem Boden, die Hände locker vor ihrem Körper verschränkt. Sie merkt, dass ich herüberschaue, und ihr Mund bewegt sich leicht, es ist kein Lächeln, nicht ganz, irgendetwas anderes – etwas, das bedeutet, es ist in Ordnung.
    Debbie springt nach vorn.
    Sie legt Mum den Arm um ihren Rücken und beugt sich hinab, dass ihr Gesicht dicht neben Mums ist. Jetzt weinen sie beide. Ihr Heulen erfüllt den kleinen Raum. Das Ganze gerät außer Kontrolle, so sehr außer Kontrolle, dass es mir Angst macht. Ich schäme mich für sie, ich will, dass sie unbedingt aufhören, aber dann denke ich plötzlich, nicht sie sind peinlich, sondern ich.
    Ich habe ihn umgebracht. Ich habe meinen Bruder getötet. Ich habe ihn Mum weggenommen. Und trotzdem stehe ich hier wie ein Holzklotz. Ich fühle nichts. Was ist mit mir los?
    Ich bin mir bewusst, dass die Frau im Kostüm mich ansieht, und das Bedürfnis zu gehen, den Aufbahrungsraum zu verlassen, wird immer stärker. Ich hätte nicht mitkommen sollen. Ich wollte ja gar nicht. Ich drehe mich um, aber Mum merkt es irgendwie.
    »Carl!«, schnieft sie. »Carl, komm her!«
    Sie öffnet ihre Arme und ich gehe zu ihr. Was soll ich denn sonst tun? Sie und Debbie nehmen mich beide so in die Arme, dass ich fast ersticke. Ihre Mäntel sind nass vom Regen. Ihre Gesichter sind nass von den Tränen. Und auf einmal bin ich auch nass.
    Sie halten mich fest, wiegen mich hin und her und weinen. So aus der Nähe klingt es entstellt, kaum mehr nach Mensch. Der Klang unkaschierten Schmerzes und langsam geht es mir auf die Nerven. Alles wirkt immer noch unwirklich, doch allmählich fange ich an es zu glauben. Den ganzen Ablauf der Ereignisse: die alte Frau, die Kette, Neisha und Rob, der See. Es hat alles hierher geführt, in diesen traurigen, nüchternen Raum. Zu einem aufgebahrten Leichnam.
    Ich spähe über Mums Schulter und er ist da, drüben an der Wand, und schaut zu.
    Rob. Der andere Rob. Schlammüberzogen und triefend. Sein Mund steht offen und braune Flüssigkeit tropft zu beiden Seiten heraus.
    Ich schließe die Augen und öffne sie wieder. Diesmal steht er näher bei mir. Und jetzt bewegen sich seine Lippen.
    Du schuldest mir was.
    Trotz des Lärms von Mum und Debbie kann ich ihn hören, laut und deutlich.
    Ich kann nicht

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