Drucke zu Lebzeiten
mit
Seitwärtsstoßen des Fußes eine den Weg kreuzende
Ratte niedertreten, stieß sie aber bloß schneller in das
Loch hinein, das sie noch rechtzeitig erreicht hatte. Er
war überhaupt langsam in seinen Bewegungen, denn
[ ]
wenn er auch lange Beine hatte, so waren sie doch zu
schwer.
Sie kamen durch eine Abteilung der Küche, wo einige
Mädchen in schmutzigen Schürzen – sie begossen sie
absichtlich – Geschirr in großen Bottichen reinigten.
Der Heizer rief eine gewisse Line zu sich, legte den Arm
um ihre Hüe und führte sie, die sich immerzu kokett
gegen seinen Arm drückte, ein Stückchen mit. „Es gibt
jetzt Auszahlung, willst du mitkommen?“ fragte er.
„Warum soll ich mich bemühn, bring mir das Geld lie-
ber her“, antwortete sie, schlüpe unter seinem Arm
durch und lief davon. „Wo hast du denn den schönen
Knaben aufgegabelt?“ rief sie noch, wollte aber keine
Antwort mehr. Man hörte das Lachen aller Mädchen,
die ihre Arbeit unterbrochen hatten.
Sie aber gingen weiter und kamen an eine Tür, die
oben einen kleinen Vorgiebel hatte, der von kleinen, ver-
goldeten Karyatiden getragen war. Für eine Schiffsein-
richtung sah das recht verschwenderisch aus. Karl war,
wie er merkte, niemals in diese Gegend gekommen, die
wahrscheinlich während der Fahrt den Passagieren der
ersten und zweiten Klasse vorbehalten gewesen war,
während man jetzt vor der großen Schiffsreinigung die
Trennungstüren ausgehoben hatte. Sie waren auch tat-
sächlich schon einigen Männern begegnet, die Besen an
der Schulter trugen und den Heizer gegrüßt hatten. Karl
staunte über den großen Betrieb; in seinem Zwischen-
[ ]
deck hatte er davon freilich wenig erfahren. Entlang der
Gänge zogen sich auch Drähte elektrischer Leitungen,
und eine kleine Glocke hörte man immerfort.
Der Heizer klope respektvoll an der Türe an und
forderte, als man „herein“ rief, Karl mit einer Handbe-
wegung auf, ohne Furcht einzutreten. Dieser trat auch
ein, aber blieb an der Tür stehen. Vor den drei Fenstern
des Zimmers sah er die Wellen des Meeres, und bei Be-
trachtung ihrer fröhlichen Bewegung schlug ihm das
Herz, als hätte er nicht fünf lange Tage das Meer
ununterbrochen gesehen. Große Schiffe kreuzten gegen-
seitig ihre Wege und gaben dem Wellenschlag nur soweit
nach, als es ihre Schwere erlaubte. Wenn man die Augen
kleinmachte, schienen diese Schiffe vor lauter Schwere
zu schwanken. Auf ihren Masten trugen sie schmale,
aber lange Flaggen, die zwar durch die Fahrt gestra
wurden, trotzdem aber noch hin und her zappelten.
Wahrscheinlich von Kriegsschiffen her erklangen Salut-
schüsse, die Kanonenrohre eines solchen nicht allzu-
weit vorüberfahrenden Schiffes, strahlend mit dem Re-
flex ihres Stahlmantels, waren wie gehätschelt von der
sicheren, glatten und doch nicht wagrechten Fahrt. Die
kleinen Schiffchen und Boote konnte man, wenigstens
von der Tür aus, nur in der Ferne beobachten, wie sie in
Mengen in die Öffnungen zwischen den großen Schiffen
einliefen. Hinter alledem aber stand New York und sah
Karl mit den hunderttausend Fenstern seiner Wol-
[ ]
kenkratzer an. Ja, in diesem Zimmer wußte man, wo
man war.
An einem runden Tisch saßen drei Herren, der eine
ein Schiffsoffizier in blauer Schiffsuniform, die zwei an-
deren, Beamte der Hafenbehörde, in schwarzen, ameri-
kanischen Uniformen. Auf dem Tisch lagen, hochaufge-
schichtet, verschiedene Dokumente, welche der Offizier
zuerst mit der Feder in der Hand überflog, um sie dann
den beiden anderen zu reichen, die bald lasen, bald ex-
zerpierten, bald in ihre Aktentaschen einlegten, wenn
nicht gerade der eine, der fast ununterbrochen ein klei-
nes Geräusch mit den Zähnen vollführte, seinem Kolle-
gen etwas in ein Protokoll diktierte.
Am Fenster saß an einem Schreibtisch, den Rücken
der Türe zugewendet, ein kleinerer Herr, der mit großen
Folianten hantierte, die auf einem starken Bücherbrett in
Kopöhe vor ihm aneinander gereiht waren. Neben
ihm stand eine offene, wenigstens auf den ersten Blick
leere Kassa.
Das zweite Fenster war leer und gab den besten Aus-
blick. In der Nähe des dritten aber standen zwei Herren
in halblautem Gespräch. Der eine lehnte neben dem
Fenster, trug auch die Schiffsuniform und spielte mit
dem Griff des Degens. Derjenige,
Weitere Kostenlose Bücher