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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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einzelnen Herren, und
    unter diesem Gesichtspunkt war die bisher hier ver-
     brachte Zeit nicht verloren. Wenn nur der Heizer besser
    auf dem Platz gewesen wäre, aber der schien vollständig
    kampfunfähig. Wenn man ihm den Schubal hingehalten
    hätte, hätte er wohl dessen gehaßten Schädel mit den
    Fäusten aulopfen können. Aber schon die paar Schrit-
     te zu ihm hinzugehen, war er wohl kaum imstande. War-
    um hatte denn Karl das so leicht Vorauszusehende nicht
    vorausgesehen, daß Schubal endlich kommen müsse,
    [  ]
    wenn nicht aus eigenem Antrieb, so vom Kapitän geru-
    fen. Warum hatte er auf dem Herweg mit dem Heizer
    nicht einen genauen Kriegsplan besprochen, statt, wie
    sie es in Wirklichkeit getan hatten, heillos unvorbereitet
    einfach dort einzutreten, wo eine Tür war? Konnte der 
    Heizer überhaupt noch reden, ja und nein sagen, wie es
    bei dem Kreuzverhör, das allerdings nur im günstigsten
    Fall bevorstand, nötig sein würde? Er stand da, die Beine
    auseinander gestellt, die Knie unsicher, den Kopf etwas
    gehoben, und die Lu verkehrte durch den offenen 
    Mund, als gäbe es innen keine Lungen mehr, die sie
    verarbeiteten.
    Karl allerdings fühlte sich so kräig und bei Verstand,
    wie er es vielleicht zu Hause niemals gewesen war. Wenn
    ihn doch seine Eltern sehen könnten, wie er in fremdem 
    Land, vor angesehenen Persönlichkeiten das Gute ver-
    focht und, wenn er es auch noch nicht zum Siege ge-
    bracht hatte, so doch zur letzten Eroberung sich voll-
    kommen bereitstellte! Würden sie ihre Meinung über
    ihn revidieren? Ihn zwischen sich niedersetzen und lo- 
    ben? Ihm einmal, einmal in die ihnen so ergebenen Au-
    gen sehn? Unsichere Fragen und ungeeignetester Au-
    genblick, sie zu stellen!
    „Ich komme, weil ich glaube, daß mich der Heizer
    irgendwelcher Unredlichkeiten beschuldigt. Ein Mäd- 
    chen aus der Küche sagte mir, sie hätte ihn auf dem Wege
    hierher gesehen. Herr Kapitän und Sie alle meine Her-
    [  ]
    ren, ich bin bereit, jede Beschuldigung an der Hand mei-
    ner Schrien, nötigenfalls durch Aussagen unvoreinge-
    nommener und unbeeinflußter Zeugen, die vor der Türe
    stehen, zu widerlegen.“ So sprach Schubal. Das war al-
     lerdings die klare Rede eines Mannes und nach der Ver-
    änderung in den Mienen der Zuhörer hätte man glauben
    können, sie hörten zum erstenmal nach langer Zeit wie-
    der menschliche Laute. Sie bemerkten freilich nicht, daß
    selbst diese schöne Rede Löcher hatte. Warum war das
     erste sachliche Wort, das ihm einfiel, „Unredlichkei-
    ten“? Hätte vielleicht die Beschuldigung hier einsetzen
    müssen, statt bei seinen nationalen Voreingenommen-
    heiten? Ein Mädchen aus der Küche hatte den Heizer
    auf dem Weg ins Bureau gesehen und Schubal hatte so-
     fort begriffen? War es nicht das Schuldbewußtsein, das
    ihm den Verstand schäre? Und Zeugen hatte er gleich
    mitgebracht und nannte sie noch außerdem unvoreinge-
    nommen und unbeeinflußt? Gaunerei, nichts als Gaune-
    rei! Und die Herren duldeten das und anerkannten es
     noch als richtiges Benehmen? Warum hatte er zweifellos
    sehr viel Zeit zwischen der Meldung des Küchenmäd-
    chens und seiner Ankun hier verstreichen lassen? Doch
    zu keinem anderen Zwecke, als damit der Heizer die
    Herren so ermüde, daß sie allmählich ihre klare Urteils-
     kra verloren, welche Schubal vor allem zu fürchten
    hatte. Hatte er, der sicher schon lange hinter der Tür
    gestanden hatte, nicht erst in dem Augenblick geklop,
    [  ]
    als er infolge der nebensächlichen Frage jenes Herrn
    hoffen dure, der Heizer sei erledigt?
    Alles war klar und wurde ja auch von Schubal wider
    Willen so dargeboten, aber den Herren mußte man es
    anders, noch handgreiflicher zeigen. Sie brauchten Auf- 
    rüttelung. Also Karl, rasch, nütze jetzt wenigstens die Zeit
    aus, ehe die Zeugen aureten und alles überschwemmen!
    Eben aber winkte der Kapitän dem Schubal ab, der
    darauin sofort – denn seine Angelegenheit schien für
    ein Weilchen aufgeschoben zu sein – beiseite trat und mit 
    dem Diener, der sich ihm gleich angeschlossen hatte,
    eine leise Unterhaltung begann, bei der es an Seitenblik-
    ken nach dem Heizer und Karl sowie an den überzeug-
    testen Handbewegungen nicht fehlte. Schubal schien so
    seine nächste große Rede einzuüben.
    
    „Wollten Sie nicht den jungen Menschen etwas fragen,
    Herr

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