Drucke zu Lebzeiten
Jakob?“ sagte der Kapitän unter allgemeiner Stille
zu dem Herrn mit dem Bambusstöckchen.
„Allerdings“, sagte dieser, mit einer kleinen Neigung
für die Aufmerksamkeit dankend. Und fragte dann Karl
nochmals: „Wie heißen Sie eigentlich?“
Karl, welcher glaubte, es sei im Interesse der großen
Hauptsache gelegen, wenn dieser Zwischenfall des hart-
näckigen Fragers bald erledigt würde, antwortete kurz,
ohne, wie es seine Gewohnheit war, durch Vorweisung
des Passes sich vorzustellen, den er erst hätte suchen
müssen: „Karl Roßmann“.
[ ]
„Aber“, sagte der mit Jakob Angesprochene und trat
zuerst fast ungläubig lächelnd zurück. Auch der Kapi-
tän, der Oberkassier, der Schiffsoffizier, ja sogar der
Diener zeigten deutlich ein übermäßiges Erstaunen we-
gen Karls Namen. Nur die Herren von der Hafenbehör-
de und Schubal verhielten sich gleichgültig.
„Aber“, wiederholte Herr Jakob und trat mit etwas
steifen Schritten auf Karl zu, „dann bin ich ja dein Onkel
Jakob und du bist mein lieber Neffe. Ahnte ich es doch
die ganze Zeit über!“ sagte er zum Kapitän hin, ehe er
Karl umarmte und küßte, der alles stumm geschehen
ließ.
„Wie heißen Sie?“ fragte Karl, nachdem er sich losge-
lassen fühlte, zwar sehr höflich, aber gänzlich ungerührt,
und strengte sich an, die Folgen abzusehen, welche die-
ses neue Ereignis für den Heizer haben düre. Vorläufig
deutete nichts darauf hin, daß Schubal aus dieser Sache
Nutzen ziehen könnte.
„Begreifen Sie doch, junger Mann, Ihr Glück“, sagte
der Kapitän, der durch Karls Frage die Würde der Per-
son des Herrn Jakob verletzt glaubte, der sich zum Fen-
ster gestellt hatte, offenbar, um sein aufgeregtes Gesicht,
das er überdies mit einem Taschentuch betupe, den
andern nicht zeigen zu müssen. „Es ist der Senator Ed-
ward Jakob, der sich Ihnen als Ihr Onkel zu erkennen
gegeben hat. Es erwartet Sie nunmehr, doch wohl ganz
gegen Ihre bisherigen Erwartungen, eine glänzende
[ ]
Lauahn. Versuchen Sie das einzusehen, so gut es im
ersten Augenblick geht, und fassen Sie sich!“
„Ich habe allerdings einen Onkel Jakob in Amerika“,
sagte Karl zum Kapitän gewendet, „aber wenn ich recht
verstanden habe, ist Jakob bloß der Zuname des Herrn
Senators.“
„So ist es“, sagte der Kapitän erwartungsvoll.
„Nun, mein Onkel Jakob, welcher der Bruder mei-
ner Mutter ist, heißt aber mit dem Taufnamen Jakob,
während sein Zuname natürlich gleich jenem meiner
Mutter lauten müßte, welche eine geborene Bendel-
mayer ist.“
„Meine Herren!“ rief der Senator, der von seinem Er-
holungsposten beim Fenster munter zurückkehrte, mit
Bezug auf Karls Erklärung aus. Alle, mit Ausnahme der
Hafenbeamten, brachen in Lachen aus, manche wie in
Rührung, manche undurchdringlich.
„So lächerlich war das, was ich gesagt habe, doch kei-
neswegs“, dachte Karl.
„Meine Herren“, wiederholte der Senator, „Sie neh-
men gegen meinen und gegen Ihren Willen an einer klei-
nen Familienszene teil, und ich kann deshalb nicht um-
hin, Ihnen eine Erläuterung zu geben, da, wie ich glaube,
nur der Herr Kapitän“ – diese Erwähnung hatte eine
gegenseitige Verbeugung zur Folge – „vollständig unter-
richtet ist.“
„Jetzt muß ich aber wirklich auf jedes Wort achtge-
[ ]
ben“, sagte sich Karl und freute sich, als er bei einem
Seitwärtsschauen bemerkte, daß in die Figur des Heizers
das Leben zurückzukehren begann.
„Ich lebe seit allen den langen Jahren meines amerika-
nischen Aufenthaltes – das Wort Aufenthalt paßt hier
allerdings schlecht für den amerikanischen Bürger, der
ich mit ganzer Seele bin – seit allen den langen Jahren
lebe ich also von meinen europäischen Verwandten voll-
ständig getrennt, aus Gründen, die erstens nicht hierher
gehören, und die zweitens zu erzählen mich wirklich zu
sehr hernehmen würde. Ich fürchte mich sogar vor dem
Augenblick, wo ich vielleicht gezwungen sein werde, sie
meinem lieben Neffen zu erzählen, wobei sich leider ein
offenes Wort über seine Eltern und ihren Anhang nicht
vermeiden lassen wird.“
„Es ist mein Onkel, kein Zweifel“, sagte sich Karl und
lauschte, „wahrscheinlich hat er seinen Namen ändern
lassen.“
„Mein lieber Neffe ist nun von seinen Eltern – sagen
wir nur
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