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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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in
    der guten Absicht, sie ihm auszureden, fing er zur Krö- 
    nung seiner Taten mit Karl jetzt zu streiten an. Jetzt, wo
    doch die Herren am runden Tisch längst empört über
    den nutzlosen Lärm waren, der ihre wichtigen Arbeiten
    störte, wo der Hauptkassier allmählich die Geduld des
    Kapitäns unverständlich fand und zum sofortigen Aus- 
    bruch neigte, wo der Diener, ganz wieder in der Sphäre
    seiner Herren, den Heizer mit wildem Blicke maß, und
    [  ]
    wo endlich der Herr mit dem Bambusstöckchen, zu wel-
    chem sogar der Kapitän hie und da freundschalich hin-
    übersah, schon gänzlich abgestump gegen den Heizer,
    ja von ihm angewidert, ein kleines Notizbuch hervorzog
     und, offenbar mit ganz anderen Angelegenheiten be-
    schäigt, die Augen zwischen dem Notizbuch und Karl
    hin und her wandern ließ.
    „Ich weiß ja, ich weiß ja“, sagte Karl, der Mühe hatte,
    den jetzt gegen ihn gekehrten Schwall des Heizers ab-
     zuwehren, trotzdem aber quer durch allen Streit noch
    ein Freundeslächeln für ihn übrighatte, „Sie haben
    Recht, Recht, ich habe ja nie daran gezweifelt.“ Er hätte
    ihm gern aus Furcht vor Schlägen die herumfahrenden
    Hände gehalten, noch lieber allerdings ihn in einen Win-
     kel gedrängt, um ihm ein paar leise beruhigende Worte
    zuzuflüstern, die niemand sonst hätte hören müssen.
    Aber der Heizer war außer Rand und Band. Karl begann
    jetzt schon sogar aus dem Gedanken eine Art Trost zu
    schöpfen, daß der Heizer im Notfall mit der Kra seiner
     Verzweiflung alle anwesenden sieben Männer bezwin-
    gen könne. Allerdings lag auf dem Schreibtisch, wie ein
    Blick dorthin lehrte, ein Aufsatz mit viel zu vielen
    Druckknöpfen der elektrischen Leitung und eine Hand,
    einfach auf sie niedergedrückt, konnte das ganze Schiff
     mit allen seinen von feindlichen Menschen gefüllten
    Gängen rebellisch machen.
    Da trat der doch so uninteressierte Herr mit dem
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    Bambusstöckchen auf Karl zu und fragte, nicht überlaut,
    aber deutlich über allem Geschrei des Heizers: „Wie
    heißen Sie denn eigentlich?“ In diesem Augenblick, als
    hätte jemand hinter der Tür auf diese Äußerung des
    Herrn gewartet, klope es. Der Diener sah zum Kapitän 
    hinüber, dieser nickte. Daher ging der Diener zur Tür
    und öffnete sie. Draußen stand in einem alten Kaiser-
    rock ein Mann von mittleren Proportionen, seinem Aus-
    sehen nach nicht eigentlich zur Arbeit an den Maschinen
    geeignet, und war doch – Schubal. Wenn es Karl nicht an 
    aller Augen erkannt hätte, die eine gewisse Befriedigung
    ausdrückten, von der nicht einmal der Kapitän frei war,
    er hätte es zu seinem Schrecken am Heizer sehen müs-
    sen, der die Fäuste an den gestraen Armen so ballte,
    als sei diese Ballung das Wichtigste an ihm, dem er alles, 
    was er an Leben habe, zu opfern bereit sei. Da steckte
    jetzt alle seine Kra, auch die, welche ihn überhaupt
    aufrecht erhielt.
    Und da war also der Feind, frei und frisch im Festan-
    zug, unter dem Arm ein Geschäsbuch, wahrscheinlich 
    die Lohnlisten und Arbeitsausweise des Heizers, und
    sah mit dem ungescheuten Zugeständnis, daß er die
    Stimmung jedes Einzelnen vor allem feststellen wolle, in
    aller Augen der Reihe nach. Die sieben waren auch
    schon alle seine Freunde, denn wenn auch der Kapitän 
    früher gewisse Einwände gegen ihn gehabt oder viel-
    leicht nur vorgeschützt hatte, nach dem Leid, das ihm
    [  ]
    der Heizer angetan hatte, schien ihm wahrscheinlich an
    Schubal auch das Geringste nicht mehr auszusetzen. Ge-
    gen einen Mann, wie den Heizer, konnte man nicht
    streng genug verfahren, und wenn dem Schubal etwas
     vorzuwerfen war, so war es der Umstand, daß er die
    Widerspenstigkeit des Heizers im Laufe der Zeit nicht
    so weit hatte brechen können, daß es dieser heute noch
    gewagt hatte, vor dem Kapitän zu erscheinen.
    Nun konnte man ja vielleicht noch annehmen, die Ge-
     genüberstellung des Heizers und Schubals werde die ihr
    vor einem höheren Forum zukommende Wirkung auch
    vor den Menschen nicht verfehlen, denn wenn sich auch
    Schubal gut verstellen konnte, er mußte es doch durch-
    aus nicht bis zum Ende aushalten können. Ein kurzes
     Aulitzen seiner Schlechtigkeit sollte genügen, um sie
    den Herren sichtbar zu machen, dafür wollte Karl schon
    sorgen. Er kannte doch schon beiläufig den Scharfsinn,
    die Schwächen, die Launen der

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