Drucke zu Lebzeiten
Ge-
rechtigkeit, aber gleichzeitig um eine Sache der Diszi-
plin. Beides und ganz besonders das letztere unterliegt
hier der Beurteilung des Herrn Kapitäns.“
„So ist es“, murmelte der Heizer. Wer es merkte und
verstand, lächelte befremdet.
„Wir aber haben überdies den Herrn Kapitän in sei-
nen Amtsgeschäen, die sich sicher gerade bei der An-
kun in New York unglaublich häufen, so sehr schon
[ ]
behindert, daß es höchste Zeit für uns ist, das Schiff zu
verlassen, um nicht zum Überfluß auch noch durch ir-
gendwelche höchst unnötige Einmischung diese gering-
fügige Zänkerei zweier Maschinisten zu einem Ereignis
zu machen. Ich begreife deine Handlungsweise, lieber
Neffe, übrigens vollkommen, aber gerade das gibt mir
das Recht, dich eilends von hier fortzuführen.“
„Ich werde sofort ein Boot für Sie flottmachen las-
sen“, sagte der Kapitän, ohne zum Erstaunen Karls auch
nur den kleinsten Einwand gegen die Worte des Onkels
vorzubringen, die doch zweifellos als eine Selbstdemüti-
gung des Onkels angesehen werden konnten. Der Ober-
kassier eilte überstürzt zum Schreibtisch und telepho-
nierte den Befehl des Kapitäns an den Bootsmeister.
„Die Zeit drängt schon“, sagte sich Karl, „aber ohne
alle zu beleidigen, kann ich nichts tun. Ich kann doch
jetzt den Onkel nicht verlassen, nachdem er mich kaum
wiedergefunden hat. Der Kapitän ist zwar höflich, aber
das ist auch alles. Bei der Disziplin hört seine Höflich-
keit auf, und der Onkel hat ihm sicher aus der Seele
gesprochen. Mit Schubal will ich nicht reden, es tut mir
sogar leid, daß ich ihm die Hand gereicht habe. Und alle
anderen Leute hier sind Spreu.“
Und er ging langsam in solchen Gedanken zum Hei-
zer, zog dessen rechte Hand aus dem Gürtel und hielt sie
spielend in der seinen. „Warum sagst du denn nichts?“
fragte er. „Warum läßt du dir alles gefallen?“
[ ]
Der Heizer legte nur die Stirn in Falten, als suche er
den Ausdruck für das, was er zu sagen habe. Im übrigen
sah er auf Karls und seine Hand hinab.
„Dir ist ja unrecht geschehen, wie keinem auf dem
Schiff, das weiß ich ganz genau.“ Und Karl zog seine
Finger hin und her zwischen den Fingern des Heizers,
der mit glänzenden Augen ringsumher schaute, als wi-
derfahre ihm eine Wonne, die ihm aber niemand ver-
übeln möge.
„Du mußt dich aber zur Wehr setzen, ja und nein
sagen, sonst haben doch die Leute keine Ahnung von
der Wahrheit. Du mußt mir versprechen, daß du mir
folgen wirst, denn ich selbst, das fürchte ich mit vielem
Grund, werde dir gar nicht mehr helfen können.“ Und
nun weinte Karl, während er die Hand des Heizers küß-
te, und nahm die rissige, fast leblose Hand und drückte
sie an seine Wangen, wie einen Schatz, auf den man ver-
zichten muß. – Da war aber auch schon der Onkel Se-
nator an seiner Seite und zog ihn, wenn auch nur mit
dem leichtesten Zwange, fort.
„Der Heizer scheint dich bezaubert zu haben“, sagte
er und sah verständnisinnig über Karls Kopf zum Kapi-
tän hin. „Du hast dich verlassen gefühlt, da hast du den
Heizer gefunden und bist ihm jetzt dankbar, das ist ja
ganz löblich. Treibe das aber, schon mir zuliebe, nicht
zu weit und lerne deine Stellung begreifen.“
Vor der Tür entstand ein Lärmen, man hörte Rufe und
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es war sogar, als werde jemand brutal gegen die Türe
gestoßen. Ein Matrose trat ein, etwas verwildert, und
hatte eine Mädchenschürze umgebunden. „Es sind Leu-
te draußen“, rief er und stieß einmal mit dem Ellbogen
herum, als sei er noch im Gedränge. Endlich fand er
seine Besinnung und wollte vor dem Kapitän salutieren,
da bemerkte er die Mädchenschürze, riß sie herunter,
warf sie zu Boden und rief: „Das ist ja ekelha, da haben
sie mir eine Mädchenschürze umgebunden.“ Dann aber
klappte er die Hacken zusammen und salutierte. Jemand
versuchte zu lachen, aber der Kapitän sagte streng: „Das
nenne ich eine gute Laune. Wer ist denn draußen?“
„Es sind meine Zeugen“, sagte Schubal vortretend,
„ich bitte ergebenst um Entschuldigung für ihr unpas-
sendes Benehmen. Wenn die Leute die Seefahrt hinter
sich haben, sind sie manchmal wie toll.“
„Rufen Sie sie sofort herein!“ befahl der Kapitän und
gleich sich zum Senator umwendend sagte er
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