Drucke zu Lebzeiten
zu
sein und die Taschenuhr, die sie jetzt vor sich liegen
hatten, war ihnen wahrscheinlich wichtiger als alles,
was im Zimmer vorging und vielleicht noch geschehen
konnte.
Der erste, welcher nach dem Kapitän seine Anteilnah-
me ausdrückte, war merkwürdigerweise der Heizer.
„Ich gratuliere Ihnen herzlich“, sagte er und schüttelte
Karl die Hand, womit er auch etwas wie Anerkennung
ausdrücken wollte. Als er sich dann mit der gleichen
[ ]
Ansprache auch an den Senator wenden wollte, trat die-
ser zurück, als überschreite der Heizer damit seine
Rechte; der Heizer ließ auch sofort ab.
Die Übrigen aber sahen jetzt ein, was zu tun war, und
bildeten gleich um Karl und den Senator einen Wirr-
warr. So geschah es, daß Karl sogar eine Gratulation
Schubals erhielt, annahm und für sie dankte. Als letzte
traten in der wieder entstandenen Ruhe die Hafenbeam-
ten hinzu und sagten zwei englische Worte, was einen
lächerlichen Eindruck machte.
Der Senator war ganz in der Laune, um das Vergnü-
gen vollständig auszukosten, nebensächlichere Momente
sich und den anderen in Erinnerung zu bringen, was
natürlich von allen nicht nur geduldet, sondern mit Inter-
esse hingenommen wurde. So machte er darauf aufmerk-
sam, daß er sich die in dem Brief der Köchin erwähnten
hervorstechendsten Erkennungszeichen Karls in sein
Notizbuch zu möglicherweise notwendigem augenblick-
lichen Gebrauch eingetragen hatte. Nun hatte er während
des unerträglichen Geschwätzes des Heizers zu keinem
anderen Zweck, als um sich abzulenken, das Notizbuch
herausgezogen und die natürlich nicht gerade detekti-
visch richtigen Beobachtungen der Köchin mit Karls
Aussehen zum Spiel in Verbindung zu bringen gesucht.
„Und so findet man seinen Neffen!“ schloß er in einem
Ton, als wolle er noch einmal Gratulationen bekommen.
„Was wird jetzt dem Heizer geschehen?“ fragte Karl,
[ ]
vorbei an der letzten Erzählung des Onkels. Er glaubte
in seiner neuen Stellung alles, was er dachte, auch aus-
sprechen zu können.
„Dem Heizer wird geschehen, was er verdient“, sagte
der Senator, „und was der Herr Kapitän für gut erachtet.
Ich glaube, wir haben von dem Heizer genug und über-
genug, wozu mir jeder der anwesenden Herren sicher
zustimmen wird.“
„Darauf kommt es doch nicht an, bei einer Sache der
Gerechtigkeit“, sagte Karl. Er stand zwischen dem On-
kel und dem Kapitän, und glaubte, vielleicht durch diese
Stellung beeinflußt, die Entscheidung in der Hand zu
haben.
Und trotzdem schien der Heizer nichts mehr für sich
zu hoffen. Die Hände hielt er halb in dem Hosengürtel,
der durch seine aufgeregten Bewegungen mit dem Strei-
fen eines gemusterten Hemdes zum Vorschein gekom-
men war. Das kümmerte ihn nicht im geringsten; er
hatte sein ganzes Leid geklagt, nun sollte man auch noch
die paar Fetzen sehen, die er am Leibe hatte, und dann
sollte man ihn forttragen. Er dachte sich aus, der Diener
und Schubal, als die zwei hier im Range Tiefsten, sollten
ihm diese letzte Güte erweisen. Schubal würde dann Ru-
he haben und nicht mehr in Verzweiflung kommen, wie
sich der Oberkassier ausgedrückt hatte. Der Kapitän
würde lauter Rumänen anstellen können, es würde über-
all rumänisch gesprochen werden, und vielleicht würde
[ ]
dann wirklich alles besser gehen. Kein Heizer würde
mehr in der Hauptkassa schwätzen, nur sein letztes Ge-
schwätz würde man in ziemlich freundlicher Erinnerung
behalten, da es, wie der Senator ausdrücklich erklärt hat-
te, die mittelbare Veranlassung zur Erkennung des Nef-
fen gegeben hatte. Dieser Neffe hatte ihm übrigens vor-
her öers zu nützen gesucht und daher für seinen Dienst
bei der Wiedererkennung längst vorher einen mehr als
genügenden Dank abgestattet; dem Heizer fiel gar nicht
ein, jetzt noch etwas von ihm zu verlangen. Im übrigen,
mochte er auch der Neffe des Senators sein, ein Kapitän
war er noch lange nicht, aber aus dem Munde des Kapi-
täns würde schließlich das böse Wort fallen. – So wie es
seiner Meinung entsprach, versuchte auch der Heizer
nicht zu Karl hinzusehen, aber leider blieb in diesem
Zimmer der Feinde kein anderer Ruheort für seine
Augen.
„Mißverstehe die Sachlage nicht“, sagte der Senator zu
Karl, „es handelt sich vielleicht um eine Sache der
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