Druidenherz
Imogen wieder auf. Ihr Gefängnis war so klein, dass sie es in jede Richtung mit zwei Schritten durchqueren konnte. Die Gitter bestanden aus stabilem Holz, ebenso wie die Decke. Vermutlich sollte verhindert werden, dass ein Gefangener versuchte, oben hinauszuklettern. Was für sie sowieso nicht infrage kam, denn die Stäbe waren glatt und gut zwei Meter hoch.
Aber selbst wenn sie aus dem Käfig käme, wäre eine Flucht unmöglich. Mindestens ein Dutzend der hässlichen Wesen fand sich nun vor dem Käfig ein, begaffte sie, sabberte den Boden voll und grunzte. Manche streckten den Kopf so weit vor, dass ihre breiten Nasen an das Holz stießen. Am liebsten hätte Imogen dagegen geschlagen, die Stäbe standen weit genug auseinander, dass ihre Faust hindurchpasste. Doch sie war viel zu erschöpft und mutlos.
Imogen schloss die Augen und sank, die Beine eng angezogen, an der Wand hinab. Warum hatten diese Wesen sie hier eingesperrt? Dass sie Gälisch verstanden, bezweifelte sie, wahrscheinlich beherrschten sie nur ihr seltsames Grunzen.
Ihr Blick fiel auf ihr Handgelenk. Sie wischte es an der Hose ab, doch das verstärkte den Schmerz nur noch. Es brannte, als würde sich Säure in die Haut fressen. In dem diffusen Licht konnte sie nur erkennen, dass die Stelle gerötet war. Also doch Gift oder zumindest etwas Ähnliches.
Mit vor Angst rasendem Herzen lauschte sie in sich hinein, dann bewegte sie die Finger der linken Hand. Es ging tadellos, aber der Schmerz blieb, als bissen unentwegt kleine Zähnchen in die Haut. Sie hörte etwas und sah auf. Eine Klappe in dem Holzgitter wurde geöffnet und eine Schale mit Wasser sowie eine zweite mit undefinierbarem Inhalt hineingeschoben.
Imogen wartete, bis das Wesen einige Schritte zurückgetreten war, dann näherte sie sich den Schalen. Von dem … Essen stieg ein so ekelhafter Geruch auf, dass sie es ignorierte und sich der Schale mit Wasser zuwandte. Vorsichtig probierte sie einen Schluck. Es schmeckte abgestanden und modrig, löschte aber zumindest ihren Durst. Dennoch trank sie wenig davon.
Sie überlegte, ob sie ihr brennendes Handgelenk mit dem Wasser abwaschen oder wenigstens kühlen sollte. Aber was, wenn das Wasser so unrein war, dass sich die Wunde dadurch entzündete?
Die Wesen standen in kleinen Gruppen zusammen, gestikulierten und gaben Laute von sich. Manchmal glaubte Imogen, ein vertrautes Wort zu hören, war sich aber nicht sicher. Sie versuchte kein weiteres Mal, mit ihnen zu sprechen. Es war offensichtlich, dass sie daran nicht interessiert waren.
Andererseits wollten sie sie offenbar nicht töten oder zumindest vorerst nicht. Sie bekam ein zweites Mal Wasser und eine neue Schale Nahrung gereicht, die sie ebenso ignorierte wie die erste. Der Wächter bemerkte es, nahm die Schale wieder heraus und schlang ihren Inhalt mit schlürfenden Geräuschen hinunter. Seine breite Zunge leckte auch die kleinsten Reste aus.
Imogen schauderte und versuchte, ruhig zu bleiben. Es gab keine Möglichkeit zur Flucht, zumindest im Moment nicht. Vielleicht würden die Wesen bald nachlässiger werden. Bestimmt steckte sie schon mehrere Stunden in diesem Käfig fest; inzwischen war sie entsetzlich müde. Trotz aller Aufregung und Gefahr forderte ihr Körper nun doch seinen Tribut. Es fiel ihr immer schwerer, ihre Augen offen zu halten.
Sie dachte an Dian und fragte sich, wo er jetzt war. In seinem Bereich von Annwn? Und war er allein dort, oder lag eine andere Frau in seinem Bett? Der Gedanke war so schrecklich, dass er sie fast körperlich schmerzte. Auch wenn Dian sie verlassen hatte und sie zornig auf ihn war, ließen sich ihre Gefühle doch nicht einfach abstellen. Und die Wahrheit war nun mal, dass sie ihn liebte. Hätte es etwas geändert, wenn sie ihm das gesagt hätte?
Aber wenn er wirklich solch starke magische Fähigkeiten besaß, hätte er das doch spüren müssen. Und das bedeutete, dass es ihm egal war. Er wollte sie nicht. Sie war nur eine sexuelle Abwechslung für ihn gewesen, ein leicht zu habendes Abenteuer.
Bei der Erinnerung, wie willig sie sich ihm geradezu angeboten hatte, überlief sie heiße Scham. Was war sie doch für eine Närrin gewesen – zu glauben, dass es auch für ihn etwas Besonderes gewesen war, mit ihr zu schlafen.
Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie rollte sich eng zusammen, verbarg ihr Gesicht und versuchte alles andere auszublenden. Zwar drang immer wieder mal ein Grunzen zu ihr durch, aber wenigstens stand keines der Wesen mehr
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