Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Druidenherz

Druidenherz

Titel: Druidenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ness
Vom Netzwerk:
betrat sie sie und stärkte sich mit dem dort vorrätigen trockenen Brot.
    Heute würde sie noch weitersuchen, beschloss sie. Vielleicht auch noch morgen. Wenn sie dann immer noch keine Spur von ihm fand, musste sie in eines der Dörfer und irgendwie versuchen, ein neues Leben zu beginnen, so schrecklich dieser Gedanke auch war. Sie würde ganz neu anfangen müssen. Ihre Abschlüsse zählten vermutlich nicht mehr viel – wer würde schon eine Historikerin einstellen, die vor so langer Zeit studiert und in der Zwischenzeit nirgendwo gearbeitet hatte, keine Referenzen vorweisen konnte.
    Am meisten machte ihr aber die Vorstellung zu schaffen, vollkommen allein zu sein. Von ihren ehemaligen Schul-und Studienfreundinnen hatten alle sicher längst eine gesicherte berufliche Position und eine eigene Familie. Wenn sie sich überhaupt an sie erinnerten, wollten sie vermutlich dennoch keinen Kontakt mit jemandem, von dem sie vor mehr als zwei Jahrzehnten zum letzten Mal etwas gehört hatten.
    Und dann die Welt an sich. Alles schien ihr verändert. Vermutlich war das nur eine Frage der Gewöhnung, aber dennoch wurde sie das Gefühl nicht los, hier falsch zu sein. Sie gehörte hier nicht her. Schon als sie gestern die Bibliothek verlassen hatte, war ihr das bewusst geworden. Nicht nur, weil ihr alles fremd war. In dem schottischen Städtchen hatte Imogen das Gefühl gehabt, mit niemandem richtig reden zu können, obwohl alle Englisch sprachen. Nein, sie passte dort nicht hin. Nicht in dieses expandierte Dorf und nicht zu seinen Bewohnern. Und irgendwie wusste sie, dass es in London genauso sein würde. Nichts zog sie dort hin und auch nicht in andere Städte. Ihr Platz war woanders.
    Es war schon fast dunkel, als sie einen weiteren Hügel überquerte und in eine tiefe Senke kam. War das die Stelle – war sie hier nach Annwn geraten? Die Erinnerung an die Wächterhunde ließ sie schaudern.
    Langsam ging sie weiter und konzentrierte sich. Irgendwie schien es ihr, als sei sie hier richtig. Vielleicht war das nicht genau »ihr« Zugang, aber es gab ja noch andere Tore in die Anderswelt. »Dian!«, rief sie leise und dachte ganz fest an ihn.
    Aber diesmal fand sich kein Echo auf ihre Empfindungen. Vielleicht lag es daran, dass sie sich in einer anderen Welt befand. Auch wenn Annwn neben der ihren existierte, schienen dort andere Naturgesetze zu gelten.
    Imogen ging weiter, öffnete ihren Geist und stellte sich vor, sie würde durch ein Tor nach Annwn schreiten. Ganz plötzlich hatte sie das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Es war nicht angenehm, eher so, als lauere etwas oder jemand auf sie. Unsicher blickte sie sich um. Dunkelheit umfing sie, verschmolz das Gras auf den Hügeln zu einer dunkelgrünen Masse. Nichts war zu hören.
    Doch das Gefühl einer unsichtbaren Bedrohung blieb. Das ist doch verrückt, sagte sich Imogen. Wenn hier tatsächlich jemand war, würde sie denjenigen hören oder, wenn er nah genug herankam, sehen können. Noch war es nicht stockfinster, Umrisse ließen sich sehr wohl erkennen.
    Der Boden schien in Bewegung zu geraten. Um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, streckte Imogen die Hände aus und suchte festen Stand. Aber es half nicht. Sie versuchte einen Schritt nach vorne zu gehen, doch das Schwanken nahm zu, und sie stürzte. Sie krallte sich mit den Fingern ins Gras, dann packte sie der Wirbel und trug sie mit sich.
    Um sie herrschte beklemmende Finsternis. Sie spürte, wie sich die Härchen an ihren Armen aufstellten. Wo war sie? Und war sie allein? Eben schien es ihr, als habe sie in der Stille jemanden atmen gehört.
    Ehe sie sich orientieren konnte, wurde sie grob am Oberarm gepackt und hochgerissen. Krallenartige Fingernägel drückten sich in ihre Haut. Vage registrierte sie, dass sich der Boden unter ihren Füßen wie Morast anfühlte und es nach Moder roch. Sie war zu benommen, um sich wehren zu können, außerdem war es dunkel. Lediglich eine massive Silhouette konnte sie erkennen.
    Ein Grunzen erklang, und sie wurde fester gepackt und grob mitgezogen. Angst ergriff sie. Stammte ihr Entführer aus der Anderswelt? War sie überhaupt schon in Annwn? Aber dann hätte doch Dian irgendwo sein müssen, weil er ihre Gegenwart spürte. Oder die Hunde müssten anschlagen.
    Imogen hatte Mühe, nicht zu stolpern. »Bitte, halten Sie an«, brachte sie hervor und rang keuchend nach Luft. Doch ihr Entführer schien sie entweder nicht zu verstehen, oder es war ihm egal, dass sie sich kaum noch auf den

Weitere Kostenlose Bücher