Druidenherz
Imogen nicht beschwert und hielt gut mit, doch er wollte nicht, dass sie sich überanstrengte.
Auf einer steinernen Bank sitzend, sah sich Imogen um. Hier gab es nur nackte dunkle Wände, dennoch schien sie fasziniert zu sein. »Wie findest du dich hier nur zurecht? Ich wüsste schon jetzt nicht mehr, wie wir zurück in dein Schlafzimmer kämen.«
Er lachte leise. »Sind die Straßen in deiner Welt alle so einfach angeordnet und die Häuser so klein?«
»Nein, natürlich nicht. Besonders die Universität, an der ich studiert habe, ist ein riesiger Komplex. Wahrscheinlich würde man Stunden brauchen, wenn man durch jeden Gang gehen wollte.«
»Und hast du dich darin verirrt?«
»Nein. Es gibt überall entsprechende Schilder. In den ersten Tagen habe ich mich zwar sehr verloren gefühlt, aber nachdem ich mich ein wenig zurechtgefunden hatte, war es ganz selbstverständlich. Ich wusste schnell, wo sich welcher Hörsaal befindet oder wie ich auf dem schnellsten Weg in die Bibliothek komme.«
»Siehst du? Genauso ist es hier auch. Dies ist meine Welt, ich weiß, wohin jeder Gang führt, in welchen Räumen Wasser fließt und wo sich die Tore befinden.«
»Tore?«, wiederholte sie und sah ihn fragend an.
»In die Welt der Menschen.« Er beobachtete ihre Reaktion. Zu seiner Überraschung nahm sie es ruhig auf, doch er spürte ein Aufflackern in ihr. Sie schien selbst nicht zu wissen, ob oder was das für sie bedeuten konnte.
»Und wohin sind wir unterwegs?«, fragte sie, als sie weitergingen.
Mit dieser Frage hatte er viel eher gerechnet und war froh, sie ehrlich beantworten zu können. »Ich möchte dir etwas zeigen, damit du vielleicht ein bisschen besser verstehst, wo du dich befindest.«
Ihre Stirn legte sich in Falten, doch sie hakte nicht nach. »Ich hoffe nur, es ist nichts, was beißen kann«, bemerkte sie, als sie an eine große Tür kamen.
»Nein, sie beißen nicht.« Dian blickte Imogen an und hoffte, dass seine Einschätzung richtig war. Er wollte das scheue Volk nicht durch eine hysterische Frau verschrecken.
Sie rang sich ein Lächeln ab und atmete tief durch, doch die Anspannung konnte sie nicht vor ihm verbergen.
Er legte eine Hand auf die Tür, konzentrierte sich und ließ sie zur Seite gleiten. Sofort flutete Helligkeit in den Gang. Neben ihm schnappte Imogen nach Luft.
Leicht zog er an ihrer Hand. »Komm.«
Ihr Blick glitt über die Bäume und Sträucher, über das helle Gras und empor zu einem Himmel, der sich nicht von dem unterschied, den die Lebenden sahen. Dann blieb er an einer jungen Feenfrau hängen.
Natürlich bemerkte die, dass sie angestarrt wurde, wandte ihnen ihr wunderschönes Elfengesicht zu und lächelte, als sie Dian erkannte. Dass eine Fremde bei ihm war, von der die junge Fee sicherlich spürte, dass sie nicht nach Annwn gehörte, schien sie nicht zu beunruhigen. Gut. Er hatte Bedenken gehabt, da Imogen schon bei Gwyd deutlich gezeigt hatte, wie seltsam sie ihn fand. Und auch wenn sie versuchte, ihre Gedanken zu verbergen, wusste Dian doch, dass sie immer wieder die spitzen Ohren ansah.
Ehrerbietig neigte er das Haupt in die Richtung der Fee.
Zwei andere Frauen kamen heran, und außerdem ein Junge, der auf der Schwelle zum Mann stand. Mit großen Augen starrte er Imogen an. Ihre Fremdartigkeit wirkte anziehend auf ihn, noch viel mehr, als ihn junge Frauen ohnehin anzogen. Ihm war deutlich anzusehen, dass ihm ihre Herkunft egal war und dass er sie begehrte, obwohl sie ihn um etwa eine Haupteslänge überragte.
Unsicher sah sie Dian an und schien nicht zu wissen, was sie davon halten sollte.
Beruhigend lächelte Dian ihr zu und drückte ihre Hand, während er näher trat und Imogen tiefer ins Feenreich führte.
»Also von hier stammen die Beeren, die Gwyd uns manchmal bringt«, sagte sie und blickte auf einen Strauch mit leuchtend blauen Früchten. Sie hatten die kleine Feengruppe passiert, ohne nah genug an sie heranzukommen, um mit ihnen zu reden. Vielleicht würde sich später dazu Gelegenheit bieten, doch fürs Erste war es besser, wenn Imogen mit ein bisschen Abstand die für sie so fremde Welt kennenlernte.
»Dies ist Gwyds Heimat«, erklärte Dian.
»Wieso sind die anderen seiner … Familie nicht auch in deinem Teil Annwns?«
»Warum sollten sie? Es gibt hier genügend Arbeiten für sie zu erledigen.« Er bemerkte, dass Imogen immer wieder zu einzelnen Feen hinübersah, aber nur kurz, als fürchte sie, dabei ertappt zu werden. »Sie sind ein eigenes Volk
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