Druidenherz
reichten weit in den Himmel empor, bildeten ganze Wälder mit dichtem Unterholz.
»Wie ist das möglich?«, wollte sie wissen.
»Was meinst du?«
Ihre Schultern hoben sich, und sie deutete auf das sie umgebende Land. »Es wirkt alles so … normal, mit einem Himmel, Licht und Hügeln. Eben sind wir sogar an einem Flusslauf vorbeigekommen. Aber wenn wir uns wirklich unter der Erde befinden, kann das doch gar nicht sein. Oder sind wir so tief unter der Oberfläche, dass hier eine ganz eigene Welt existiert?« Sie rieb sich die Schläfen. »Nein, das ist unmöglich, es gab doch schon so viele Bohrungen. Die Erde ist sehr gründlich erforscht. Wenn es hier wirklich eine so große andere Ebene gäbe, hätte man sie längst entdecken müssen.«
»Vielleicht«, stimmte er ihr zu. Er konnte sich gut vorstellen, dass der Wissensdrang der Menschen zu solchen Nachforschungen führte. »Aber nicht alles lässt sich messen. Oder erklären.«
»Magie also«, sagte sie und klang ebenso skeptisch wie gestern am Seeufer.
Er lächelte und gab ihr einen raschen Kuss auf den Mund. »Für dich mag es seltsam sein, aber in Annwn ist Magie allgegenwärtig und daher selbstverständlich. Niemand hier zweifelt an ihr.«
In ihrem Blick lag der Wunsch, all das zu verstehen. Wieder nahm Dian ihre Hand, während sie langsam weitergingen.
Die Feen nahmen keine Notiz von ihnen. Dian kam zwar nicht allzu oft hierher, aber er war ihnen allen bekannt, und sie wussten, dass er sie nicht störte.
An einer besonders üppig begrünten Stelle hielt er an, bückte sich und pflückte ein zartes Pflänzchen. »Gwyd sammelt hier meist die Zutaten, die ich für Tränke und Salben benötige. Manchmal komme ich auch selbst her.«
Imogen betrachtete die Pflanze und schnupperte an ihr, als Dian sie ihr in die Hand gab. »Solche Tränke, wie du mir gegeben hast, als ich krank war?«
»Auch. Aber die Pflanze allein hat kaum Wirkung. Dabei kommt vieles zusammen, auch Magie. Nur wenn der, der ein Mittel verabreicht, über starke magische Kraft verfügt, kann es auch starke Wirkung entfalten.« Er sah ihr an, dass sie über seine Worte nachdachte. »Besser kann ich es dir leider nicht erklären, denn so hat mein Meister es mir beigebracht. Und er war der höchste aller Druiden.«
»Hast du nun seine Position?« Noch immer drehte sie die Pflanze in ihren Händen.
»Nein. Ich herrsche nur über diesen Teil Annwns. Es gibt viele andere Druiden. Zwar bin ich ein Mitglied des Rats, aber dort habe ich nicht die höchste Stellung. Auch wenn natürlich keiner allein die Entscheidungsgewalt besitzt.«
»Klingt sehr politisch.«
Er lächelte. »Das ist es, aber damit möchte ich dich nicht langweilen.«
»Das tust du nicht. Ich finde es sehr interessant, wie Annwn strukturiert ist.« Der Name schien ihr immer noch ein bisschen schwer über die Lippen zu kommen.
Ist ihr Interesse persönlicher oder beruflicher Natur?, fragte sich Dian. Was sie ihm erzählt hatte, faszinierte ihn. Er hätte nicht gedacht, dass man in ihrer Welt seine Geschichte studieren konnte und dass es Menschen gab, die ihr berufliches Streben darauf richteten, alles über das Volk der Kelten zu erfahren. Natürlich kannte auch er Geschichtsschreiber. Aber Imogen deckte sich nicht mit dem Bild, das er von ihnen hatte. Sie hatte ihm noch mehr erzählt, geradezu unvorstellbare Dinge, die in der Welt der Lebenden ganz selbstverständlich zum Alltag gehörten. Angeblich konnte sogar jeder durch die Luft fliegen, wenn er dafür bezahlte, und das ganz ohne Magie. Sie hatte versucht, es ihm zu verdeutlichen, indem sie mit einem Rußstück auf einem Holzbrett etwas aufgezeichnet hatte, aber auch das hatte nicht geholfen. Und es zeigte Dian wieder einmal, wie grundverschieden ihre Welten waren. Rasch verdrängte er diese Gedanken. Er wollte genießen, dass Imogen hier und jetzt bei ihm war, er sie berühren, küssen und lieben konnte.
Sie lief einige Schritte und blieb dann stehen. Dian fragte sich, was ihre Aufmerksamkeit so fesselte, konnte jedoch nur einige Hasen entdecken. Die Tiere befanden sich auf dem Sprung und hoppelten schon im nächsten Moment davon.
»Was überrascht dich?«, fragte er, da er ihre Aufregung spürte.
»Dass hier alles so normal erscheint!«, platzte sie heraus. Ihre Augen glänzten voller Wissensdurst. »Es gibt sogar wild lebende Tiere.«
»Natürlich gibt es die. Wenn wir weitergehen, wirst du auch noch Schafe und Ziegen sehen. Die allerdings werden von den Feen
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