Druidenherz
und leben in diesem Teil Annwns.«
»Die Túatha Dé Danann«, flüsterte sie.
Dian lächelte anerkennend. »Du kennst also sogar die Bezeichnung, die sie sich selbst geben.«
»Natürlich. Sie sind ja Teil meines Studiums gewesen – also das, was über sie an Legenden kursiert.«
»Erzähl mir davon«, forderte er sie auf und zog sie zu einem Stein, der sich als Sitzplatz anbot.
Sie ließ sich so nieder, dass ihr Oberschenkel an seinem anlag. »Ach, wahrscheinlich kennst du die Geschichten. Und jene, die du nicht kennst, sind dann wohl sowieso nicht wahr.«
»Das werden wir dann ja feststellen.« Er wusste, dass bei den Menschen Legenden und Sagen über das Feenvolk existierten, und nicht nur darüber. Aber sein Wissen war begrenzt, denn immer, wenn er in die Welt der Lebenden kam, hatten sich Schrift und Sprache verändert, und es wurde für ihn zunehmend schwieriger. Imogen erzählte. Sie schien sich intensiv mit dem Thema befasst zu haben, und Dian gefiel es, ihrer angenehmen Stimme zu lauschen.
»Vorhin hast du gesagt, dass sie in diesem Teil Annwns leben«, sagte Imogen, nachdem sie eine ganze Weile gesprochen hatte. »Bedeutet das, sie kommen niemals an die Oberfläche?«
»Ich weiß gar nicht, ob sie dazu überhaupt noch in der Lage wären. Früher schon. Aber das ist lange her, die Welten und die Übergänge zwischen ihnen haben sich verändert. Es zieht sie auch nichts mehr in die Welt der Menschen. Dort fühlen sie sich nicht wohl. Die Sprache hat sich ebenfalls verändert, das Leben an sich sowieso. Jemanden vom Alten Volk zu sehen, würde die meisten Menschen deiner Zeit wohl erschrecken.«
Sie nickte, doch er wusste, dass sie allenfalls einen Bruchteil von dem verstanden hatte, was er ihr zeigte und erklärte. Es schien, als weigerte sich ihr Verstand noch, anzuerkennen, was die Augen ihr zeigten.
Um sie abzulenken, pflückte er eine Handvoll Beeren und hielt sie ihr hin.
»Danke.« Imogen kaute. »Ich liebe Süßigkeiten. Du glaubst nicht, wie sehr ich Schokolade vermisse.«
»Schokolade?«
Sie lachte. »Dass du keine kennst, ist der wohl eindeutigste Beweis, dass du in einer anderen Welt lebst.«
»Was hat es mit dieser Schokolade auf sich?« Vielleicht gab es in Annwn ja etwas Vergleichbares. Dass Imogen Süßes mochte, hatte er bereits gemerkt. Sie hatte die Honigkuchen sehr gelobt und sich die klebrigen Finger abgeschleckt. Seitdem hatte er Gwyd oft aufgetragen, ihren Speisen Honigkuchen beizulegen.
»Schokolade ist etwas ganz Wundervolles. Sie schmeckt süß und macht regelrecht glücklich.«
»Wie deine Küsse also.«
»Nun ja, so wirklich vergleichen kann man das wohl nicht.« Auf ihren Wangen zeigte sich eine feine Röte. »Es ist ein Genussmittel. Man braucht sie nicht, und im Grunde ist es auch gar nicht gut, viel davon zu essen, weil sie dick macht und zu viel Fett und Zucker enthält. Aber sie schmeckt himmlisch. In den Geschäften meiner Welt gibt es unzählige verschiedene Sorten. Weiße und dunkle, gefüllte, mit Nüssen, Marzipan oder verschiedenen Cremes.«
Dian bedauerte, ihr keine Schokolade bieten zu können. »Und hier gibt es nichts Vergleichbares?«, hakte er nach.
Ihre Wangen dunkelten stärker nach. »Mit dir zu schlafen, ist so ähnlich. Das löst in mir auch solche Glücksgefühle aus. Manchmal, wenn ich Sehnsucht nach Leidenschaft hatte, dann habe ich mir Liebesromane und besonders gute Schokolade gekauft und sie langsam im Mund zergehen lassen, während ich heiße Liebesszenen gelesen habe.«
»Erzähl mir davon.«
»Das kann ich nicht, das ist peinlich!« Sie lachte. »Du würdest es doch auch gar nicht verstehen, weil du Schokolade nicht kennst.«
»Du musst es mir nur genau genug erklären. Dann kann ich es mir bestimmt vorstellen.« Schon jetzt hatte er ein deutliches Bild von Imogen im Kopf, wie sie von Sehnsucht geplagt ihren Phantasien nachhing. Bei ihm müsste sie das nie. Ein Wort oder eine auffordernde Geste von ihr würden genügen, und er würde sie so lieben, wie sie es sich wünschte.
»Es war eine schöne Sehnsucht«, sagte sie. »Ich habe es immer genossen, so vor mich hin zu träumen.«
Gern hätte er sie nach dem genauen Inhalt ihrer Phantasien gefragt, aber da sie nichts mehr dazu sagte, beschloss er, lieber nicht nachzuhaken. Aber er würde alles daransetzen, sie auch ohne Schokolade glücklich zu machen.
Sanft zog er sie auf die Füße und führte sie ein Stück weiter. In der Ferne ragten nebelumwogte Hügel auf. Bäume
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