Drunter und Drüber
durch und durch männlichen Blick bedachte und den Mund zu einem halben Lächeln verzog. Char spitzte die Lippen wie zu einem stummen Pfiff, fächelte sich mit den Fingern Luft zu, und Dru verfluchte ihre eigene hyperaktive Fantasie, die sie an all die Dinge, die sie für ihn tun könnte, denken ließ. Aber sie wollte verdammt sein, wenn sie errötete und stotterte wie eine verlegene Jungfrau, und so zog sie lediglich fragend ihre Augenbrauen hoch.
»Allerdings.« Er legte die Bücher vor ihr auf den Tisch, stemmte die Hände in die schmalen Hüften und musterte sie reglos. »Schicken Sie mich an die Arbeit.«
»Was würden Sie denn gerne tun?«
»Etwas, was mit dem Hotelbetrieb zu tun hat. Ich will alles von Grund auf lernen.«
Das war sicher nur fair. Als Miteigentümer sollte er sämtliche Aspekte ihres Unternehmens kennen. »Okay.« Sie dachte kurz nach. »Haben Sie Turnschuhe dabei?«
»Wie bitte?«
»Turnschuhe. Ob Sie ...«
»Ich habe Sie durchaus verstanden. Nur sehe ich nicht, welchen Bezug diese Frage zu meiner Einführung ins Unternehmen hat.«
»Ich werde Sie hinter den Empfangstresen stellen. Dort beginnt die Gästebetreuung, weshalb mir das als richtiger Ort für den Einstieg erscheint. Aber das Personal am Empfang trägt unsere Uniform.« Sie wies auf ihre eigene Garderobe. »Polohemd und Shorts werden von uns gestellt, Schuhe jedoch nicht.«
»Dann werde ich ins Dorf fahren und mir welche kaufen.« Er wandte sich an Char und bedachte sie mit einem seiner seltenen, breiten Lächeln. »Nett, Sie kennen gelernt zu haben.« Dann wandte er sich abermals an Dru und nagelte sie mit seinem durchdringenden Blick geradezu auf ihrem Stuhl fest. »In zirka einer halben Stunde bin ich wieder da.«
Dru hätte nicht sagen können, weshalb dies in ihren Ohren wie eine Warnung klang.
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und Char lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Wow. Ich hoffe, dass mein Herzschlag jetzt wieder normal wird.« Sie sah die Freundin an. »Und du hast gesagt, es wäre okay gewesen ihn zu küssen? Es überrascht mich, dass wir dich nicht mit Blaulicht in die Kardiologie des Harborview-Krankenhauses in Seattle haben bringen müssen.« Sie blickte nachdenklich zur Tür. »Ich frage mich, ob er wohl einen Bruder hat.«
Dru quittierte diesen Satz mit geradezu hysterischem Gelächter. »Keine Ahnung. Aber ich kann ihn ja danach fragen.«
Als Char gegangen war, rief Dru wegen der Uniform-Sachen für J.D. im Sportgeschäft an. »Hallo, Joe. Ich brauche unsere übliche Uniform, und zwar das Polohemd in L und die Shorts in Größe vierunddreißig. Sie haben beides da? Super. Danke, Joe. Ich komme gleich rüber und hole beides ab.« Sie legte den Hörer auf die Gabel und stand auf. Irgendwie hatte sie das Gefühl, als ob ihr ruhiges, durchorganisiertes Leben außer Kontrolle geriet. Das gefiel ihr absolut nicht.
Sie hinterließ am Empfang, wo sie zu finden wäre, und eilte zu dem kleinen Laden, in dem es im Winter alles für Skifahren und im Sommer alles zum Schwimmen, Laufen, Klettern und Biken und halt ebenso die Garderobe mit dem Logo des Hotels zu kaufen gab.
Da gerade zwei Gäste eine Stunde Wasserski bei dem Verkäufer buchten, rückte sie einen Stapel T-Shirts gerade und ordnete die Sonnenbrillen am Ständer neben dem Tresen um. Als sie schließlich von der Inspektion des Schaufensters zurücktrat, wies Joe auf die ordentlich gefaltete am Rand des Tresens liegende Uniform, ohne sein Gespräch mit den Gästen zu unterbrechen. Sie signierte die Quittung und drehte sich gerade um, als sie dabei unsanft mit J.D. zusammenstieß. Es machte sie wütend, dass er ebenso wie sie vor der Berührung zurückzuschrecken schien.
»Sally hat gesagt, dass ich Sie hier finde.«
»Ja. Ich habe die Klamotten für Sie abgeholt.« Sie streckte ihm die Sachen hin.
Als er sie abnahm, traf sie die Berührung seiner Hand wie ein elektrischer Schlag. Sie räusperte sich, verließ hastig den Laden und wies in Richtung des breiten Ganges, der vom Foyer des Hotels abging. »Sie können den Umkleideraum der Männer benutzen. Er liegt gegenüber dem Spielzimmer direkt hinter dem Fahrstuhl. Wenn Sie fertig umgezogen sind, treffen wir uns am Empfang.«
Fünf Minuten später verfolgte Dru, wie er durch den Gang zum Empfangstisch schlenderte, und riss erstaunt die Augen auf. Bisher kannte sie ihn nur in weißem T-Shirt und abgewetzter Jeans. In der frisch gestärkten kurzen Hose und dem schicken Polohemd wirkte er
Weitere Kostenlose Bücher