Drunter und Drüber
führt dich nach Hause?«, fragte sie ihn betont gleichmütig. »Machst du gerade Urlaub?«
»Nein. Ich bin zurückgekommen.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein – du konntest es doch kaum erwarten, unserer Einöde endlich den Rücken zuzukehren. Du hast nie von etwas anderem geredet.«
»Tja, nun.« Er ließ unbehaglich seine Schultern kreisen. »Es hat sich herausgestellt, dass das Leben in der großen Stadt nicht ganz meinen Erwartungen entsprach.«
»Bist du denn nicht bei irgendeiner tollen Anwaltsfirma in Washington, D.C., beschäftigt?«
»Ich war es. Aber ich habe gekündigt.« Offenbar sah er ihr an, dass sie nach weiteren Einzelheiten fragen wollte, denn er bedachte sie mit einem leichten Lächeln und erklärte: »Ich habe nicht gesagt, dass ich für ewig hier in Star Lake bleiben werde. Aber Dads Gesundheitszustand ist nicht gerade der beste und einige der Praktiken meines Unternehmens haben mir nicht unbedingt gefallen, so dass dies ein guter Zeitpunkt für meine Rückkehr war.« »Da Sie gerade von Ihrem alten Herrn sprechen«, mischte sich J.D. in das Gespräch. »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Wohin ist er mit der Klimaanlage verschwunden?«
»Wahrscheinlich hinters Haus, um sich heimlich eine Zigarette anzünden zu können.«
Dru starrte Kevin entgeistert an. »Er braucht ständig Sauerstoff und raucht trotzdem weiter?«
Kev zuckte mit den Schultern. »Weshalb sollte er jetzt noch damit aufhören? Sein Lungenemphysem ist bereits so weit fortgeschritten, dass er sein Leben, selbst wenn er strikt mit dem Rauchen aufhört, nur unwesentlich verlängern würde.«
»Wenn er sich in die Luft jagt, indem er in der Nähe eines Sauerstofftanks ein Streichholz anzündet, wird sein Leben allerdings abrupt verkürzt.«
»Tja, nun, das ist eben Dad. Der Gerechtigkeit halber sollte ich hinzufügen, dass er den Kanister abnimmt und den Hahn sorgfältig zudreht, bevor er die Streichhölzer aus der Tasche zieht.«
Wie aufs Stichwort kam in diesem Moment Harvey durch die Tür. Die Klimaanlage schob er auf einem Karren vor sich her. »Hier, bitte«, sagte er zu Dru und klatschte die Rechnung auf den Tresen. »Du brauchst nur noch hier zu unterschreiben.«
Kaum hatte sie nach dem Stift gegriffen, als eine Frauenstimme flötete: »Im Dorf geht das Gerücht um, dass du mit einem gut aussehenden Typen hier aufgetaucht bist.«
Dru hob den Kopf, sah Char grinsend auf sich zukommen und lächelte erfreut. »Hallo. Eigentlich hätte ich dich heute Nachmittag besuchen wollen, aber ich musste meine Pläne ändern, als Tante Sophie mich bat, die Klimaanlage für eine der Hütten abzuholen.« Sie klopfte auf das Gerät und wies mit einem Kopfnicken zu J.D. »Und ihn hat sie seiner Muskeln wegen dazu auserkoren, das Ding für mich zu schleppen.«
»Genau diese Muskeln haben das ganze Dorf in helle Aufregung versetzt«, erklärte Char und spendierte J.D. das für sie typische flirtbereite Lächeln. Als sie jedoch den Mann entdeckte, der hinter ihm stand, verschlug es ihr kurzfristig die Sprache. »Ja, aber hallo, wen haben wir denn da? Willst du mal wieder gucken, welchem Elend du hier entronnen bist?«
»Teufel, nein«, kam die spontane Antwort. »Wenn das mein Anliegen gewesen wäre, wäre ich umgehend in deiner Wohnung aufgekreuzt.«
»Wie ich sehe, bist du noch ganz der alte Charmeur«, erklärte sie mit kühler Stimme. »Und wann geht’s zurück in die große, weite Welt?«
Dru zuckte zusammen. Char und Kevin waren noch nie gut miteinander ausgekommen. Die gegenseitige Abneigung der beiden hatte ihr bereits während der Schulzeit das Leben schwer gemacht, denn sie hätte sich ein glückliches Dreiergespann gewünscht. Sie hätte allerdings angenommen, dass die Feindschaft ihrer beiden besten Freunde mit zunehmender Reife etwas geringer werden würde, was jedoch offensichtlich nicht der Fall war. »Kev hat vor, erst mal hier zu bleiben, Char«, erklärte sie schnell der Freundin.
»Was für eine Freude.« Die Blondine schenkte ihm einen Blick, der nicht wärmer war als die Antarktis. »Und wo hast du dein kleines Frauchen und die zweieinhalb süßen Kinder? Sitzen sie vielleicht artig im Haus deines Vaters?«
»Nein. Das kleine Frauchen hat mich eines Mannes wegen verlassen, der keine sechzehn Stunden täglich gearbeitet hat, und die statistischen süßen Kinder hat es nie gegeben. Und wie steht es mit dir? Ist es dir inzwischen gelungen, dir einen Ehemann zu angeln? Oder musst du dir gerade ein
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