Drunter und Drüber
auf. Außerdem debattierten sie hinlänglich darüber, ob das fertige Boot am besten rot, schwarz oder dunkelgrün lackiert werden sollte. J.D. neigte zu rot, Tate hingegen zu der Machofarbe Schwarz.
All dies wusste Dru, weil Tate ihr jedes Wort der Unterhaltung ausführlich widergab. Wenn sie noch einmal das Loblied auf das Kanu hören müsste, würde sie einen Meuchelmord begehen ...
Nun, zumindest heute Abend könnte sie sich erholen. Sophie und Ben hatten Tate zum Übernachten eingeladen, und jetzt wäre es an ihnen, so zu tun, als wären sie an den endlosen J.D.-und-das-Kanu-Geschichten interessiert. Eventuell war sie ungerecht. Sophie brächte sicher ehrliches Interesse an den Erzählungen des Jungen auf. Sie selbst jedoch war einfach froh, ein paar Stunden zu haben, in denen sie nichts hören müsste von dem Mann und seinem Boot.
Es war ein Grund zum Feiern und sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie sich auf ein Bier und ein paar flotte Tänze in den Red Bull Saloon im Ort begeben oder lieber mit einem guten Buch lang ausgestreckt auf ihr Sofa legen sollte. Beinahe hätte sie Char McKenna angerufen, um zu fragen, was sie an diesem Abend machte, aber sie war die ganze Woche über von Menschen umgeben gewesen, so dass sie am Ende beschloss, sich eine Schüssel Popcorn zu machen und den Janet-Evanovich-Roman in Angriff zu nehmen, den der Souvenirshop extra für sie bestellt hatte.
Erst das Klingeln des Telefons zwang sie gegen acht Uhr in die Gegenwart zurück. Um nicht den Faden zu verlieren, steckte sie einen Finger zwischen die gerade gelesenen Seiten und griff nach dem Hörer. »Hallo.«
»Schätzchen, ich bin es«, sagte Tante Sophie. »Tut mir Leid dich zu stören, wenn du schon mal allein bist, aber wir haben ein Problem drüben im Restaurant.«
Dru legte das Buch zur Seite, schwang die Füße auf den Boden und setzte sich auf. »Was für ein Problem?«
»Offensichtlich hat der zweite Koch während der gesamten Schicht die Saucen zubereitet und dabei so viel von den alkoholischen Zutaten probiert, dass er jetzt blitzeblau ist. Carlos droht damit, fristlos zu kündigen und rate, wer praktischerweise drüben ist, um die Wogen zu glätten?«
Verdammt, J.D. arbeitete momentan im Restaurant. »Bin schon unterwegs.«
Dru blickte auf ihr ärmelloses T-Shirt, die Jeans und die nackten Füße. Sie hatte keine Zeit mehr, sich umzuziehen, wenn sie nicht wollte, dass Carlos tatsächlich das Weite suchte. Sie wusste aus Erfahrung, dass er nur durch Diplomatie, Schmeichelei und eine gewisse Flirtbereitschaft besänftigt werden konnte, und dass Mr. Carver dazu wahrlich nicht das mindeste Talent besaß. Hastig schlüpfte sie in ein Paar Sandalen, zog, damit nicht sofort jeder sah, dass sie keinen BH trug, ein Jeanshemd über das pinkfarbene T-Shirt, fummelte die offen fallenden Haare aus dem Kragen und warf sie sich über den Rücken.
Während sie die Treppe hinunterrannte, tröstete sie sich mit dem Wissen, dass J.D. zumindest im Restaurant selbst und nicht in der Küche beschäftigt war. Die beiden Bereiche liefen fast unabhängig voneinander und es gab jeweils eine ganz eigene Hierarchie. Was konnte also groß passiert sein? Eigentlich sollte J.D. überhaupt nicht in der Sache involviert sein.
Bei ihrer Ankunft war er allerdings nirgends im Restaurant zu sehen und so fragte sie mit leiser Stimme den Manager, wo Mr. Carver war.
»Tut mir Leid, Dru«, antwortete dieser. »Als die Situation außer Kontrolle zu geraten drohte, habe ich versucht, ihm zu erklären, dass wir in der Küche nichts zu melden haben, aber er meinte, als Miteigentümer des Hotels hätte er, verdammt noch mal, überall etwas zu melden.«
Scheiße. »Wie lange ist er schon drüben?«
»Erst ein paar Minuten. Er ist erst rüber, nachdem ich bei Sophie angerufen habe.«
»Okay.« Sie atmete auf. »Sie haben genau das Richtige getan. Also, was ist mit Greg? Ist er wirklich so betrunken, wie Sophie gesagt hat?«
»Ich fürchte, ja.«
»Na, super. Rufen Sie Melinda an und gucken Sie, ob sie kurzfristig für ihn einspringen kann. Falls sie keine Zeit hat, geben Sie mir bitte umgehend Bescheid.« Dann ging sie festen Schrittes Richtung Küche.
Hinter der Tür herrschte ein geradezu ohrenbetäubender Lärm. Kellner und Kellnerinnen tauchten im Wechsel auf Grund des Schrillens der an ihren Gürteln festgemachten Piepser auf, um die runden Tabletts mit den fertigen Gerichten in Empfang zu nehmen, Ofentüren knallten, Köche riefen nach
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