Drunter und Drüber
herumzulaufen wie eine kleine Schlampe, obwohl die Hälfte aller Frauen in dem Schuppen nicht anders als sie gekleidet war. Selbst Dru, der in seinen Augen sicher nie auch nur der kleinste Fehler unterlief, trug ein langes, hauchdünnes, pfirsichfarbenes Kleid, von dem Char genau wusste, dass es, wenn sie sich bewegte, wie eine zweite Haut an ihren Schenkeln lag. Es wirkte oben wie ein altmodisches Mieder, und wies eine durchgehende Reihe winzig kleiner Perlmuttknöpfe auf sowie zwei schmale Träger und einen derart tiefen Ausschnitt, dass sich dem Betrachter jedes Mal, wenn sie sich nach vorne beugte, eine Aussicht auf ihre üppige Oberweite bot.
Char wünschte sich, sie hätte ebenfalls den Busen einer erwachsenen Frau.
Sie zog sich einen Stuhl heran, doch noch ehe sie richtig saß, kam auch schon einer der Gäste des Hotels und bat sie um einen Tanz.
Sie schenkte ihm ihr schönstes Lächeln, wiegelte jedoch ab. »Beim nächsten Lied, okay? Ich möchte nur schnell ein Bier.«
Er schlenderte davon und sie fing den Blick der sich zwischen zwei in der Nähe stehenden Tische hindurchschiebenden Bedienung auf. Die Band begann mit einer neuen Nummer und sie musste beinahe schreien, als die Frau an ihren Tisch kam. »Ein Corona mit einer Scheibe Limone, bitte«, bestellte sie lauthals, warf ihr winziges Täschchen vor sich auf den Tisch und wandte sich, als würde Kev nicht existieren, umgehend an Dru. »Die Band ist echt gut, findest du nicht auch?«
»Allerdings. Nicht wahr, Kev, das haben wir auch gerade gesagt.«
Während der nächsten Stunde tanzte Char mit jedem Mann, der sie darum bat, und war sich, nur, um vom Tisch fortzukommen, auch nicht zu schade für eine Reihe mehr oder minder unverhohlener Flirts. Selbst den Touristen, der allzu schnell vertraulich wurde, hielt sie eine Zeit lang aus.
Sie wedelte seine Hand von ihrem Hintern und erklärte ihm, sie hätte kein Interesse daran, etwas mit ihm anzufangen, behielt jedoch ihr Lächeln bei diesen Worten bei. Normalerweise hätte sie auf seine widerlichen Großstädterallüren durch einen gnadenlos gezielten Ruck mit einem ihrer spitzen Knie reagiert.
Als sie gezwungen war, während der Pause der Band mit den anderen am Tisch zu sitzen, gab sich Dru die allergrößte Mühe, sie in die Unterhaltung mit einzubeziehen. Unglücklicherweise hatten dazu weder sie noch Kev besondere Lust. Es gelang ihnen zwar, einander nicht rüde anzufahren, aber das lag wahrscheinlich eher an dem allgemeinen Lärm als an ihrer beider Achtung vor der guten Dru. In der Tat merkte Char, dass ihr ihre beste Freundin von Minute zu Minute stärker auf die Nerven ging.
Was sie sich nicht erklären konnte. Wahrscheinlich war es auch nicht gerade fair, aber sie war wütend, fühlte sich hundeelend und der Anblick von Kev, der sich in dem Bemühen, Dru zu unterhalten, beinahe überschlug, rief ein Gefühl der Enttäuschung in ihr wach. Verdammt, weshalb hatte Dru darauf beständen, dass sie mitkam? Sie hätte sich doch denken können, dass ein Treffen zwischen ihren beiden besten Freunden ähnlich war, als ob man versuchte, ein Feuer mit Benzin zu löschen. Aber nein, sie hatte ja ihren verdammten Willen kriegen müssen. Nun, Char fand keinen besonderen Gefallen an dem Gefühl, das fünfte Rad am Wagen zu sein.
Was wahrscheinlich der Grund war, weshalb sie, als sie J.D. Carver in Richtung Theke schlendern sah, dankbar aufstand und ihm hinterherlief. »Hallo!«, rief sie, als er sich mit seinem frischen Bier wieder zum Gehen wenden wollte, legte den Ellenbogen auf den Tresen und lächelte ihn an. Wie üblich trug er eine verblichene Jeans und ein strahlend weißes T-Shirt. »Sind Sie allein hier?«
Er nickte. »Und Sie?«
»So gut wie.« Sie zuckte mit den Schultern und wies mit dem Kinn in Richtung des Tisches, an dem die beiden anderen saßen. »Ich bin mit Dru und ihrem Verehrer hier.«
J.D. spähte an ihr vorbei und sie merkte, dass er die Augen, als er die beiden entdeckte, erbost zusammenkniff.
Hervorragend. Wenn schon sonst nichts, war J.D. Carver zumindest ein Typ mit einem ausgeprägten Ego, so dass jetzt vielleicht endlich etwas Leben in den Abend kam. »Sie kennen doch das Sprichwort, zwei sind eine nette Gesellschaft, doch drei sind einer zu viel? Tja, ich bin diejenige, die hier bisher zu viel war. Also gesellen Sie sich zu uns und helfen Sie mir, die Sache endlich ins Gleichgewicht zu bringen.«
»Sehr gern.« Jedoch wirkte das Lächeln, mit dem er sie bedachte, alles
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