Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
dachte, vielleicht einmal von ihr geträumt zu haben."
"Hm." Der Merlin rieb sich den Bart, sagte dann: "Ein Traum
reicht nicht. Ihr könnt ihn wieder mitnehmen."
Mathys Zieheltern waren binnen eines Augenblickes wieder
auf dem Wagen; der Vater gab dem Pferd ohne einen
Abschiedsgruß die Gerte und das Gefährt donnerte davon.
Ein kalter Wind kam auf, strich um Julies Beine und Arme.
Sie zog die Jacke enger.
Anouk legte ihr die Hand auf den Arm. "Das tut mir so leid
für dich", sagte sie.
"Danke, Hüterin, ich komme schon zurecht. Wir versuchen
es im nächsten Jahr noch einmal, dann ist er wieder älter, nicht
wahr?" Julies Blick suchte den des Merlins, doch er wich ihr noch
immer aus. Sie musste wirklich mal mit ihm reden.
Auf dem Rückweg zur Burg war es seltsamerweise die
kleine Tari, die die ganze Zeit weinte. Dabei war Julie sich sicher,
dass das eigentlich eine für sie selbst angemessene Reaktion
gewesen wäre.
Irgendetwas stimmte nicht mit ihr.
Oder sie wurde einfach nur erwachsen.
Sehnsucht
Leo putzte das Zaumzeug schon zum dritten Mal in dieser
Woche, aber er wienerte trotzdem mit dem gewachsten Tuch auf
den Lederriemen herum, als hinge sein Leben davon ab, dass alles
blitzte und blinkte. Er sah sich um.
Jeder einzelne Sattel war an seinem Platz; aufgelegt auf
dicke Holme, von denen er in dieser Woche alleine fünf
ausgetauscht hatte, weil sie ihm zu unstabil erschienen. Alle
Trensen und Longen waren ordentlich dressiert, das Putzzeug
stand in Bottichen unter den Sätteln, nach Pferd und Reiter
geordnet. Sogar das Wagenrad hinten im Stall glänzte, befreit von
Spinnweben und eingeölt, mit den sauber gefetteten Riegeln an
den Boxen um die Wette. Leo rückte noch einmal einen der Sättel
zurecht, dann musste er es sich eingestehen: es gab nichts mehr
zu tun. Die Pferde waren versorgt, die Tränken gefüllt,
ausgemistet, Heu und Hackschnitzel verteilt, nichts, aber auch gar
nichts war unerledigt geblieben.
Leo seufzte.
Gestern war er so mutig gewesen, seinen Skizzenblock zu
öffnen um zu zeichnen. Aber das Gesicht von Ronan strahlte ihm
entgegen, also warf er den Block in die Ecke und die Stift gleich
hinterher. Er setzte sich auf einen der Sättel und lehnte seinen
Kopf an die Holzwand der Sattelkammer.
"Hier steckst du."
Onkel Hafer kam herein, sah sich um, pfiff anerkennend
durch die Zähne.
"Heiliger Zipsel", sagte er, "das nenn´ ich mal eine
aufgeräumte Sattelkammer."
Leo glitt von seinem Sattel, pirschte sich langsam an die Tür
heran. Wenn sein Onkel in dieser Stimmung war, wollte er reden.
Und Leo war heute nicht in der Lage ein Gespräch über die
Vorteile von gelbem gegenüber braunem Lederfett zu führen.
Zu seiner Überraschung fing der Stallgager mit einem ganz
anderen Thema an.
"Gehst du heute nicht zum Schrund?" fragte er.
Leo sah auf. "Nein."
"Hm. Gehst du gar nicht mehr zum Schrund?" fragte Hafer
wieder.
"Nein. Freut dich das jetzt? Ist doch genau das, was du
wolltest", sagte Leo.
Wie sehr er Ronan vermisste. Sein Lachen, seine Wärme,
seinen Gesang.
"Habt ihr euch gestritten?" fragte sein Onkel.
Leo antwortete nicht, schüttelte nur den Kopf.
Hafer nahm einen der Sättel, tauschte ihn gegen einen
anderen aus, trat einen Schritt nach hinten, besah sein Werk und
tauschte die Sättel wieder zurück.
"Warum wohnt er eigentlich da draußen?" fragte der
Stallgager.
Wieso wollte sein Onkel das wissen? In den vergangenen
dreizehn Jahren hatte er Leos Freundschaft zu Ronan geduldet,
aber nach ihm gefragt hatte er nie. Durfte er seinem Onkel davon
erzählen? Es war Ronan peinlich gewesen, aber wenn er schon
nicht zu seinem Freund konnte, wollte er wenigstens mit
jemandem über ihn reden. Und ein Gager würde die Abneigung
zu Töten nicht unbedingt für abartig halten, auch wenn der
Betroffene ein Wolf war.
"Sein Rudel hat ihn verstoßen", sagte Leo.
"Warum? "fragte Onkel Hafer.
Leo lehnte sich mit den Oberschenkeln gegen einen
Sattelholm. Er griff eine Bürste und zupfte nervös lose Härchen
aus dem Holz.
"Er kann nicht töten. Und Fleisch würgt er nur von Zeit zu
Zeit mal runter, weil er sonst krank wird. Alle hassen ihn dafür."
"Hm." Bruder Hafer strich sich das Fell am Kinn glatt.
"Was: ´hm´?" fragte Leo.
"Ich hasse ihn nicht", sagte Hafer.
Leo warf die Bürste in den Bottich zurück. "Aber du willst
auch nicht, dass ich ihn treffe."
Onkel Hafer sah ihn betroffen an. "Triffst du dich
meinetwegen nicht mehr mit ihm?"
Leo war kurz versucht,
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