Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
war alles? "Du bist für mich auch mehr;
du bist mein bester Freund."
"Das meine ich nicht. Ich mag dich anders. So, wie meine
Schwester Palon mag", sagte Ronan.
Leo hatte ein Gefühl, als ob ihm jemand in den Magen
geboxt hätte. Szenen stiegen vor seinem inneren Auge auf, von
Palon und Sarba damals auf der Lichtung, wie sie vor allen
anderen… Er quetschte die restlichen Himbeeren zu Brei. Ronan
hatte alles kaputt gemacht.
Natürlich träumte auch er in schlaflosen Nächten von
Dingen, die er niemandem erzählen konnte, aber über so etwas
konnte man doch nicht reden!
Solange es keiner von ihnen beiden ausgesprochen hatte
konnten sie sich treffen, eine Männerfreundschaft eben, wenn
auch eine besonders enge. Jetzt war das unmöglich. Und das war
Ronans Schuld.
"Warum sagst du nichts?" fragte Ronan.
"Ich bin nicht so", fauchte Leo.
"Was ist denn daran so schlimm? Ich weiß nicht, wieso du
dich aufregst", sagte Ronan.
"Meinst du, ich hab Lust als Ausgestoßener zu leben?" rief
Leo.
"So ein Quatsch, wir sind beide erwachsen, wer kann etwas
dagegen haben?" fragte Ronan.
"Sieh dich doch an, so alleine in deiner Höhle, ohne Rudel,
das ist doch krank!" Leo schniefte, warum schossen ihm diese
verdammten Tränen in die Augen? Er wollte jetzt nicht flennen.
Ronan lachte bitter. "Du denkst, das ist deswegen? Sie
haben mich ausgestoßen, weil ich Jungs mag? Vor dir mochte ich
noch gar keine Jungs, Blödmann. Du liegst echt sowas von falsch."
Er zerrte Leo hoch, und als er sich wehrte, warf Ronan ihn
kurzerhand über die Schulter, schleppte ihn bis vor den
Höhleneingang, setzte ihn dort ab und griff sein Handgelenk.
Grob zog er Leo in die Höhle, geradewegs in die Ecke, die er all
die Jahre gemieden hatte, weil der Wolf dort seine Vorräte
aufbewahrte. Zwang Ronan ihn jetzt auch noch, sich das
anzusehen? Reichte es nicht, dass er alles zerstört hatte, was ihnen
beiden lieb und teuer war?
Ronan kam mit seinen großen Augen ganz dicht an Leos
Gesicht heran, so dicht, dass sein warmer Duft zu ihm
herüberwehte. Oh, inzwischen fürchtete er diesen Geruch nicht
mehr, im Gegenteil.
"Sie haben mich ausgestoßen, weil ich abartig bin", stieß
Ronan hervor, "ich kann nicht töten. Ist das nicht zum Lachen?
Ein Wolf, der nicht töten kann." Er warf den Deckel der
Vorratskiste gegen die Höhlenwand, dass es nur so knallte. Leo
wagte einen Blick. Kartoffeln. Käse. Obst. Kein Fitzelchen Fleisch.
"Aber damals, im Schnee, an unserem ersten Wintertag, da
hing ein Hase draußen, und du, du hast gesagt…"
"Ich weiß, was ich gesagt habe. Ich wollte vor dir nicht
dumm dastehen. Was hättest du denn von einem Wolf gehalten,
der sich von seiner Schwester ab und an das nötigste an Fleisch
bringen lässt, damit seine wölfischen Anteile nicht krank und
schwach werden? Der das Fleisch klein hackt und dann kocht,
statt es dampfend und roh zu essen, weil ihm schon der Gedanke
an die armen Tiere einen Schauer durch die Glieder jagt? Was
meinst du wie Sarba mich angesehen hat, als sie das erste Mal
gesehen hat, dass ich das Fleisch koche, das sie mir bringt?"
Ronan ließ Leo Handgelenk los; erst jetzt merkte er, wie kalt
und blutleer seine gepeinigte Hand sich anfühlte.
Der Wolfsmann klappte den Deckel wieder zu, stützte sich
mit der Stirn gegen die Wand, bevor er weiter sprach:
"Das Rudel wollte mich töten, als sie es bemerkten. Ich lebe
nur noch, weil ich Sarbas Amulett trage. Wer es trägt, darf abseits
des Rudels leben und ist tabu, auch wenn er im Kampf unterliegt. Darum ist ihr Palons Stärke so wichtig. Jeder Wolf bekommt
genau ein Amulett. Ihres hätte ihrem Liebsten zugestanden, aber
da sie es mir gegeben hat, ist er ohne Schutz. Jeder im Rudel kann
ihn töten, wenn er unaufmerksam ist." Ronan wich ein Stück
zurück und stieß erneut mit der Stirn gegen die Höhlenwand, als
könne der äußere Schmerz den inneren betäuben.
Leo wusste nicht mehr, was er denken sollte. Wenn das
Amulett der Wölfe dem Lebenspartner zustand, und Ronan ihm
seines gegeben hatte, dann hieß das, er wusste schon damals…
Sein Herz flog Ronan zu. Was musste er durchgemacht
haben, allein das schlechte Gewissen wegen seiner Schwester
musste unerträglich sein. Er wollte zu Ronan gehen, seine Hand
nehmen, sich an ihn lehnen und ihn trösten, aber konnte nicht.
Ein Wolf und ein Gager? Seine Mutter würde umkommen
vor Kummer.
"Ich kann das einfach nicht", schrie er. Er rannte aus der
Höhle und
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