Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
wünschst du dir am Meisten?"
"Das ich endlich in der Mittsommernacht nach draußen darf. Ich
will nicht länger leben, ich will richtig leben. Dafür würde ich alles
tun."
Es klopfte.
Julie und Fanea riefen gleichzeitig "Herein!"
Die Tür öffnete sich und der Gesandte, der Julie begleitet hatte,
trat ein und verbeugte sich.
"Was gibt es, Tibbith?" fragte Fanea.
"Eine Nachricht für die zweite Hüterin, Durchlaucht."
Fanea nickte und Tibbith räusperte sich. Erst jetzt fiel Julie auf,
dass sich der Gesandte während der gesamten Reise nicht einmal
vorgestellt hatte.
"Die Fürstin wird euch morgen früh nach dem Frühstücksläuten
empfangen."
Ohne ein weiteres Wort drehte der Gesandte um und verließ die
Bibliothek.
*
Erst als die Tür wieder geschlossen war, erwachte Julie aus ihrer
Schreckstarre und sprang auf.
"Das geht nicht, heute Nacht ist Vollmond, sie hat gesagt, sie will
heute Nacht den Bund lösen lassen. Was für einen Sinn hat es da,
mich morgen zu treffen?" rief Julie erbost.
"Das ist dann wohl ihre Art `nein´ zu sagen" murmelte Fanea.
"Das werde ich nicht zulassen."
Julie lief zur Schleuse. Sie wollte die Tür öffnen, doch die Klinke
ließ sich nicht bewegen. Sie rüttelte fester daran - die Tür gab
keinen Millimeter nach.
"Tibbith schleust noch. Du musst warten" sagte Fanea.
"Ich will nicht mehr warten, ich habe lange genug gewartet, sie
wollte garnicht mit mir reden, sie wollte mich nur kaltstellen, oh,
dass ist so niederträchtig…"
"Pass auf, was du sagst, sonst schlagen sie dir den Kopf ab."
"Das ist mir egal." Julie rüttelte weiter an der Tür. Sie war noch
immer fest verschlossen. "Ich muss hier ´raus, verdammt!"
Fanea richtete sich auf, so weit es ihre kurzen Arme zuließen.
"Es nützt dir überhaupt nichts, hier so herumzutoben."
"Ach nein? Aber du weißt, was nützlich ist, ja?"
Julie wollte es nicht, aber vor lauter Wut darüber, von den
Fischmenschen so hingehalten worden zu sein, quollen die
gemeinen Worte nur so aus ihr heraus. "Du hast dein Leben ja voll
im Griff. Warum nimmst du nicht dein Gespür für alles Nützliche
und setzt es dafür ein, dass sie dir erlaubt, erwachsen zu
werden?"
Fanea schloss die Augen. Julie hörte auf an der Tür zu rütteln. Sie
war eindeutig zu weit gegangen. Langsam näherte sie sich Fanea
und beugte ein Knie, bis sich ihre Augen auf der gleichen Höhe
mit Faneas Gesicht befanden.
"Entschuldige, ich hätte das nicht sagen sollen."
Fanea öffnete die Augen wieder.
"Nein, du hast Recht. Aber das ändert nichts daran, dass du zu
unwichtig bist, um sie zu zwingen, Rücksicht auf deine Wünsche
zu nehmen. Das einzige von dem Mutter sich beeinflussen lässt in
ihren Entscheidungen, ist diplomatischer Druck."
"Ich bin die Hüterin."
„Bist du noch nicht. Anouk ist die Hüterin. Erst, wenn sie ihr Amt
abgibt, geht alle Macht auf dich über. Und mit Anouk ist Nereide
so."
Sie presste ihre Zeigefinger gegeneinander, bis kein Blatt mehr
dazwischen passte.
Mist. Julie kam ein anderer Gedanke:
"Leo? Würde sie es Leo zuliebe tun?"
Fanea seufzte. "Röwe? Ich glaube nicht. Sein Vater, der
Gagerhäuptling, ist zwar nicht ganz unwichtig, aber auf ihn
angewiesen ist Nereide nicht. Nein, es müsste schon jemand sein
wie ein Merlin, Maktoum aus der Wüste, der Fürst der Elfen
oder…“
"Fürst der Elfen? Reicht auch ein zukünftiger Fürst?"
"Du weißt, wo Miriél Lwynn ist?" fragte Fanea atemlos.
"Nein, aber ich kenne seinen Sohn. Den Enkel von Iyel-Aton und
zukünftigen Fürsten von Aßlar."
Fanea ächzte.
"Daan? Das hätte ich mir denken können. Du bist eine Baumfrau.
Wahrscheinlich steckst du mit der Schlampe unter einer Decke,
die ihn mir weggenommen hat…"
Was für Worte aus dem Mund eines Säuglings, andererseits hatte
Fanea mit einhundertvierundvierzig Jahren wahrscheinlich schon
einiges mehr gesehen als sie selbst. Julie entschloss sich, den
Einwurf zu überhören. Innerlich leistete sie Ria abbitte, dass sie
sie nicht verteidigte, aber es gab gerade Wichtigeres.
"Er ist mein Gefährte als Hüterin. Sag schon: würde er sie
umstimmen können?"
Fanea sah zur Seite, presste die Lippen zusammen und
verschränkte die Arme.
Julie beugte sich noch einmal zu ihr hinunter.
"Fanea, bitte."
"Ja. Würde er."
Julie nahm Faneas kleine Hände und drückte sie kurz. Dann
stürmte sie zur Schleuse und zerrte heftig an der Klinke. Die Tür
ließ sich so leicht öffnen, dass Julie sich auf den Hosenboden
setzte. Sie betrat die
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