Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
wunde Punkt der Fürstin. Sie
ließ sich einen Augenblick Zeit mit ihrer Antwort.
Dann sagte sie: "Alle."
Nereide ächzte und sank seitlich auf ihren Thron. Sie stützte die
Ellenbogen auf die steinernen Armlehnen und vergrub das
Gesicht in den Händen.
"Wie konnte mir das entgehen?"
Seltsam, als Nereide so gebrochen dasaß, hatte Julie das Gefühl
sie trösten zu müssen.
"In eurem Beisein ist es nicht augenscheinlich. Ich habe Fanea
auch ohne eure Gegenwart getroffen."
Die Stille währte endlos, doch Julie rührte sich nicht vom Fleck.
Wenn ihr Plan Erfolg haben sollte, musste sie hier Geduld
aufbringen, so schwer es ihr auch fiel.
Endlich, Nereide brach das Schweigen.
"Was schlägst du vor?"
"Als Säugling aufzutreten untergräbt Faneas Autorität. Lasst eure
Tochter in der Mittsommernacht nach draußen, bis sie siebzehn
ist. So, wie es Iyel-Aton mit Daan gemacht hat. Er ist inzwischen
ein ausgewachsener Elf. Ihr habt seinen Stirnreif gesehen. Und
den Enkel des Fürsten respektieren alle."
Mit Ausnahme des Fürsten, fügte Julie in Gedanken hinzu, hütete
sich aber, es auszusprechen. Sie konnte sehen wie es hinter
Nereides Stirn arbeitete.
"Und um sie zu verheiraten muss Fanea sowieso dieses Alter
haben, ihr verkürzt Faneas Leben also nicht über Gebühr, sondern
nur so weit wie es geboten ist, damit sie ihren Pflichten
nachkommen kann", fügte Julie noch hinzu.
Nereide erhob sich wieder und winkte der Wache.
"Ich werde darüber nachdenken. Du kannst gehen."
*
Wieder hieß es warten. Julie zog ein Buch aus dem Regal zu ihrer
Linken und schlug es auf. Seepferdchenzucht. Echt spannend. Sie
stellte das Werk zurück und griff nach einem schweren Folianten.
Der beinahe schwarze Ledereinband war ohne Beschriftung, aber
`Stammbaum der Elfenfamilien auf Mensch- für diplomatische
Zwecke´
prangte in goldenen Lettern auf der ersten Seite. Das war schon
besser. Vorsichtig legte Julie den Wälzer auf das Stehpult und
schlug Seite um Seite auf, entzifferte die altertümlichen, gestochen
scharf gemalten Buchstaben und sah sich die Miniaturbildchen
an. Eines musste man den Elfen lassen- sie sahen alle
ausnehmend gut aus, besonders die männlichen Vertreter ihrer
Art. Keine der Elfen aus den ersten Einträgen kam ihr bekannt
vor, also überblätterte sie etliche der mindestens fünfhundert
steifen Seiten und besah sich die Bilder im hinteren Viertel des
Buches. Die frischeren Farben und die modernere Schrift zeigten
an, dass sie nicht mehr weit von den Vertretern der Gegenwart
entfernt sein konnte.
Da, der Eintrag zeigte eindeutig Iyel-Aton. Und der Elf in dem
nächsten Feld war demnach Mirièl, Daans Vater. Richtig, dort
stand es auch. Julie betrachtete das Bild des Verschollenen
genauer. Er sah Daan schon ähnlich. Und seine Mutter?
Sie suchte nach dem Bild von Daans Mutter, aber sie fand keines.
In dem kleinen Kasten, der durch einen Strich mit Daan
verbunden war, so wie Miriéls Kasten, stand nur: Mensch.
Julie sank auf den Lehnstuhl neben dem Stehpult. So langsam
bekam sie ein Gefühl dafür, was Daan durchmachte.
Das Geräusch der Schleuse. Sie sprang wieder auf, wandte sich
zur Tür. War es der Gesandte? Nach einer Ewigkeit öffnete sich
die Tür endlich. Doch es war nicht Tibbith; Fanea betrat den
Raum auf dem Arm ihrer Trägerin.
Wunschzeit
Die Fürstentochter zappelte und wackelte so sehr, dass Julie
fürchtete, sie würde ihrer Bediensteten vom Arm fallen.
"Nun mach schon, schneller, dichter heran, Himmel, warum bist
du so langsam? Bin ich froh, wenn das ein Ende hat!" rief Fanea.
"Fanea! Heißt das Nereide hat zugestimmt?" rief Julie.
„Dichter heran, habe ich gesagt" fauchte Fanea ihre Trägerin an.
Ganz nah an Julie, beugte sie sich noch vor, schlang die kurzen
Ärmchen um Julies Hals und drückte sie.
"Ja, ich kann es nicht fassen. Ja! Sie lässt mich in der nächsten
Mittsommernacht nach draußen, anstatt mich auf die dritte Ebene
zu schleppen. Adé, dämliche Windeln, adé püriertes Essen. Mir
werden Zähne wachsen. Ich weiß nicht, wie du das geschafft hast,
aber ich stehe tief in deiner Schuld."
Julie lachte. Es hatte funktioniert.
"War eigentlich ganz einfach. Und logisch."
Fanea lachte ebenfalls. "Eigentlich ist es mir auch gleichgültig.
Wichtig ist, dass sie zugestimmt hat. Nicht nur für die eine Nacht.
Für alle Nächte, bis ich siebzehn bin. Und sie ist eine Lichtelfe, ein
einmal gegebenes Versprechen kann sie nicht zurücknehmen."
Sie stupste
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