Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
nur so krachte.
Julie zuckte zurück und stieß mit dem Hinterkopf an die
Wand. Der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen. Warum
schlugen nur in letzter Zeit alle Leute dauernd direkt neben ihr
auf irgend etwas ein?
"Nun mach aber mal einen Punkt. Du wolltest den Bund, du bist herumgerannt und hast geschrien ich will . Alle haben dich
gewarnt, oder nicht? Und auf einmal ist es unsere Schuld?" fragte
Anouk aufgebracht.
Julie antwortete nicht, sie legte nur das Gesicht in ihre
Hände. Wie kalt ihre Finger waren. Die Tränen ließen fühlten sich
heiß dagegen an.
Eine warme Hand auf ihrem Haar.
"Julie. Ich weiß, dass es schwer ist. Aber das mit den
dreizehn Jahren verstehe ich nicht. Wieso sollen die Zeit deine
Chancen auf eine erfolgreiche Vereinigung vermindern?"
"Chris hat den Sicca gesagt, dass sie ihm Kräuter geben
müssen, und, und..." - sie schniefte. Anouk reichte ihr ein
Taschentuch und Julie schnäuzte sich, bevor sie weiter sprach:
"Und er hat gesagt `ím Gegenzug darf die Verbundene ihn
dreizehn Jahre lang nicht sehen´, oder so."
Anouk lachte.
"Dummerchen. Es ist genau andersherum. Sicher, jeder Tag,
den du älter wirst, entfremdet dich ihm, aber Chris hat die Sicca
trotzdem an der Nase herumgeführt. Ihn nicht zu treffen,
geschieht zu deinen Gunsten. Wenn Menschen sich Partner
suchen, sparen sie die Leute aus ihrer engeren Umgebung, die,
mit denen sie groß werden, einfach aus. Die Natur hat das so
eingerichtet, damit man sich nicht in Bruder oder Schwester,
Tante oder Onkel verliebt und so der Blutschande anheim fällt.
Würdest du dich in der Prägephase in seinem Umfeld aufhalten,
könnte er dich später nicht als Geliebte wiedererkennen."
Julie hob den Kopf.
"Er hat die Sicca belogen? Für mich?" fragte Julie.
"Sagen wir, er hat ihnen die richtigen Informationen
gegeben, sie aber ein wenig freier ausgelegt."
"Oh."
Anouk erhob sich aus der Hocke vor Julies Bank und setzte
sich wieder auf ihre eigenen Seite.
"Es ist trotzdem eine lange Zeit", sagte Julie.
Anouk schaute aus dem Fenster, während sie antwortete.
"Eine verdammt lange Zeit. Ich möchte nicht in deiner Haut
stecken."
"Kann ich irgendetwas tun, damit er mich besser erkennt?"
fragte Julie.
"Ja. Einiges kann man ändern, anderes nicht. Das Altern
kannst du nicht aufhalten, du wirst unweigerlich ein Jahr älter
sein, wenn er so weit ist, denn dreizehn Jahre hier lassen dich um
dreizehn Monate altern. Aber du kannst das bewahren, was er in
dir gesehen hat. Was mochte er an dir am Meisten? Worauf war er
stolz? Du wirst nicht verhindern können, dass du dich
entwickelst, aber die Chancen sind größer, wenn du das in die
richtige Richtung tust."
Julie nickte, wollte sich schon erheben, überlegte es sich
dann aber anders. Sie konnte jetzt nicht allein sein.
"Darf ich noch eine Weile hier sitzenbleiben und aus dem
Fenster sehen, wenn ich ganz still bin?" fragte sie.
Anouk griff sich ein Buch vom Schreibtisch und setzte sich
wieder. Dann nickte sie.
Julie zog die Knie an und sah aus dem Fenster. Sie musste
nachdenken über Anouks Anregungen.
Und so, wie es aussah, hatte sie Zeit zum Nachdenken.
Viel Zeit.
*
Die glänzende Scheibe am blauschwarzen Nachthimmel
glänzte mit den kleinen Sternen rundherum um die Wette.
Obgleich einige vorwitzige Wolkenstreifen immer wieder vor das
helle Rund zogen und ihre schwarzen Schatten Gespenstern
gleich über den Wald und die Berge in der Ferne huschten,
meinte Julie, noch nie etwas Schöneres gesehen zu haben. Das
war also die Nacht, in der er zurückkehrte, ihr Geliebter.
Sie lehnte sich eng an die Bretterwand von Leung Jans
Haus, kuschelte sich tiefer in die Decke, die sie mitgebracht hatte.
Leung Jan wusste nichts davon, dass sie hier saß, aber
wenn, würde er sicher nichts dagegen haben; auch er war ein
Freund von Mathys gewesen und von hier aus sah man den
Mond einfach am Besten. Und es war die Richtung, in der es zu
den Sicca ging. Auch wenn ihr der Gedanke nicht behagte, dass
Mathys bei einer von ihnen groß wurde, war dies doch seine
einzige Möglichkeit, überhaupt zurückzukommen, dessen war sie
inzwischen gewiss.
Ob er irgendwo dort draußen war und auf sie
herunterschaute?
Obwohl das ein tröstlicher Gedanke war, kamen Julie die
Tränen.
In dieser Nacht gebot sie ihnen keinen Einhalt; sie weinte
und weinte, bis sie sich allen Kummer von der Seele gespült hatte.
Mathys sollte nicht in eine Welt voller Kummer und Schmerz
kommen, sie
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