Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
wollte fröhlich für ihn sein und nach vorne schauen.
Julie war wach, bis der Morgen graute; erst dann sank sie in
einen tiefen Schlaf. Und als Leung Jan sie an der Schulter fasste
und sachte schüttelte, schlug Julie die Augen auf und fühlte sich
wie eine Sechsjährige an ihrem Geburtstag.
Bals schon, heute oder morgen, würde ein Reiter kommen
und ihr die Botschaft des Merlin bringen.
Nackenschläge
Julie hatte inzwischen eine klare Vorstellung davon, was sie
wollte, aber wie sie das Umsetzen sollte, war ihr mehr als
schleierhaft. Mathys sollte bei der ersten Vereinigung die besten
Bedingungen vorfinden, um sie zu erkennen; dafür würde Julie
alles tun, was nötig war.
Sie wusste, dass Mathys ihre Reitkünste bewunderte und er hatte
sie mehr als einmal für ihre magischen Fähigkeiten gelobt. Einmal
hatte er ihr sogar gestanden, dass er endgültig sein Herz an sie
verloren hatte, als es ihr gelang das Amulett zum Singen zu
bringen. Dieser Teil von Anouks Vorschlag war leicht zu erfüllen,
denn dazu musste sie einfach nur üben, üben und üben.
Aber der Teil, über den Anouk so beiläufig sprach, die
Vorstellung, das jeder Tag, den sie älter wurde, Mathys ihr
entfremdete, brachte sie an ihre Grenzen. Wen sie auch immer
fragte, die Antwort war stets: "Nicht viel älter werden für ein
Jahr? Das geht nur auf der dritten Ebene."
Doch keiner der Befragten hatte eine Lösung für sie, wie man in
der Mittsommernacht dorthin gelangte.
Das schaffen nur Elfen , und Du riskierst dein Leben, wenn du kein
Merlin bis t waren noch die freundlichsten Umschreibungen dafür
gewesen, dass es unmöglich war.
Julie war aber nicht bereit, unmöglich zu akzeptieren.
Die einzige, die Julie noch nicht gefragt hatte, war Aewore. Und
das würde bis nachher warten müssen, denn die Kräuterfrau war
in den Wald gegangen. Immerhin hatten Kundschafter einen
Reiter aus dem Nordwesten gemeldet, der sich mit hoher
Geschwindigkeit näherte. Das konnte nur der Bote sein.
Doch selbst, wenn der Bote sich vom Kundschafterposten aus
materialisierte, würde er noch etwa eine Stunde brauchen- aus
den Bergen war das Springen durch den Raum nicht möglich. Sie
konnte also noch eine Weile üben.
Julie sammelte sich, nahm beide Arme an die Seite und stellte sich
vor, ganz leicht zu sein. Schwerelos. Sie entwarf ein Bild in ihrem
Kopf, versuchte zu spüren wie ihre nackten Füße sich vom
weichen Teppich über dem glatten Steinboden in ihrer Kammer
lösten und sich in die Luft darüber erhoben. Doch obwohl sie aus
dem Übungssaal der Burg vor Swantjes Geschnatter geflohen
war, fehlte ihr die Konzentration. Ihre Füße blieben wo sie waren,
wie festgezurrt.
Julie gab es auf für heute. Sie würde in die Halle gehen und dort
auf den Boten warten. Sobald sie wusste, dass Mathys gut in ihrer
Welt angekommen war, würde sie auch wieder die Ruhe zum
Üben habe.
*
Die ganze Burg war wie leergefegt; alle nutzten das schöne Wetter
und vergnügten sich draußen. Julie tappte , noch immer barfuss,
über die kühlen Steine des Korridors. Die Doppelflügeltür der
Halle stand auf, und Stimmen drangen heraus.
"Es muss sich etwas ändern."
Anouks Stimme. Obgleich Julie schon seit drei Jahren in
Ausbildung bei der Hüterin war, überraschte sie die Intensität in
Anouks Stimme immer wieder aufs Neue.
"Das war alles nicht leicht, lass ihr Zeit."
Eindeutig Chris. Hatten die beiden etwa Streit?
Julie hatte nicht die Absicht, zu lauschen, aber sie musste durch
die Halle um auf den Hof zu kommen- und stören wollte sie die
Beiden auch nicht. Tief in ihrem Inneren fiel Julie noch ein
weiterer Grund ein; sie hatte sich noch immer nicht mit Chris
ausgesprochen und ihre Lust, ihm zu begegnen, hielt sich in
Grenzen.
Also blieb sie, wo sie war, im Schatten der Flügeltür.
"Wir haben keine Zeit. Harfners Mühlenring ist nicht besetzt, die
Katakomben sind gefährdet. Wir beide sehen uns kaum noch,
weil der Wachdienst an den Katakomben jede freie Minute
verschlingt. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal
in Ruhe ein Bad genommen habe. Es wäre ihre Aufgabe. Ich kann
doch hier nicht weg."
Leises Schluchzen setzte ein.
Betroffen schlug Julie die Hand vor den Mund. Die arme Anouk.
Warum hatte sie so einen Stress?
Wenigstens tröstete Chris sie. "Schon gut, das wird schon wieder.
Es kann ja nicht mehr lange dauern."
Julie beugte sich vorsichtig vor. Eng umschlungen standen die
Hüterin und der Ratsherr in der Mitte der Halle; Chris
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