Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
nicht."
Es war keine Frage, es war eine Feststellung.
Mathys zog sich auf den Baumstamm, blies sich lässig eine der
blonden Locken aus der Stirn, beugte sich vor und nahm Julie das
Band aus der Hand. Behutsam verstaute er es in der Brusttasche
seines Leinenhemdes.
Julie war erleichtert- und sie schämte sich dafür. Mathys war
seiner Sache so sicher, und sie war unentschlossen! Dabei sollte
sich gerade Julie als Baumfrau doch mit ihrer Wahl wohl fühlen,
schließlich verliebten sich Baumfrauen ohnehin nur einmal im
Leben, wer also konnte sich sicherer sein?
Für Mathys war das Risiko, sich zu irren, viel größer. Julie lehnte
ihr Knie an sein Bein, doch er erwiderte ihren Druck nicht.
Sie musste es ihm erklären.
„Tut mir leid, natürlich bin ich mir sicher, ich habe nur solche
Angst, etwas falsch zu machen.“
Mathys schob ihren Kopf vorsichtig von seinem Bein fort, erhob
sich und schwang sich an einem Ast hinter Julie vorbei zum Ufer.
„Wenn du dir nicht wirklich sicher bist, will ich es gar nicht
mehr“ sagte er. Mathys wandte den Blick ab, bevor er weiter
sprach.
„Es ist spät, lass uns gehen, die anderen sind bestimmt schon
bereit zum Aufbruch.“
Die Truhe der ersten Hüterin
Der Weg nach Tallyn hinein war wie ausgestorben, die meisten
Einwohner hatten sich in der Stadt an die letzten
Reisevorbereitungen gemacht. Es kam nicht alle Tage vor, dass
ein Mitglied des Rates, zu dem Daan als Gefährte der zukünftigen
Hüterin nun schon seit drei Jahren gehörte, den ewigen Bund
eingehen wollte. Alles, was zwei Beine hatte und nicht vorher
noch an der Zeremonie im Nebelfeld teilnahm, schickte sich
spätestens jetzt an, zum Bundschluss nach Aßlar zu reisen.
Tatsächlich schien es mit Ausnahme von Tasso, dem Wächter der
Katakomben, keine Person zu geben, die Daans und Rias
Einladung nicht gefolgt war. Als Julie mit Mathys um die
Stallecke bog, kamen ihnen der Halbelf und seine Braut mit
ungewohnt energischen Schritten entgegen.
„Was macht ihr denn für Gesichter?“ fragte Julie, „ist etwas
passiert?“
„Nereide von den Aquilani hat endlich zugesagt, aber die
Minuiten haben immer noch keine Nachricht geschickt. Wenn
auch nur ein Volk nicht mitmacht…“ schimpfte Ria.
„…dann kann die Zeremonie nicht stattfinden“ beendete Daan
düster ihren Satz.
Mathys schüttelte die letzten Wassertropfen aus den Haaren und
lehnte den Drachen an die Stallwand.
„Macht euch doch nicht dauernd Sorgen, die werden sich schon
melden.“
Julie teilte seine Zuversicht nicht ganz. Zu gut war ihr aus
Anouks Unterricht in Erinnerung, wie sehr Elfen und Minuiten
sich gegenseitig hassten. Das hinderte die Minuiten nicht daran,
von Zeit zu Zeit lukrative Aufträge für einzelne Elfen zu
übernehmen, denn ein Minuit würde für eine viertel Unze Gold
sogar seine Großmutter verkaufen; ein Umstand, für den die Elfen
die Spione in kindlicher Gestalt nur um so mehr verachteten.
„Ich hoffe, du hast recht, mein Freund, es ist nicht mehr viel Zeit“
sagte Daan.
Julie wollte weder Daan noch Mathys ansehen, also warf sie einen
Blick nach oben- und erschrak.
Die Sonne war ein ganzes Stückchen weiter gewandert.
„Wir müssen wirklich los und unsere Sachen holen, wenn wir das
Ritual verpassen, bringt Anouk uns um“ sagte sie.
Aus dem Augenwinkel sah Julie, wie die anderen
zusammenzuckten. Anouk hatte jedem von ihnen gehörig
eingebläut, was vom Gelingen des Rituals abhing.
Gemeinsam hasteten sie auf Burg Tallynor zu. Ausnahmsweise
drang kein Rauch aus den solide gemauerten Schornsteinen mit
den kupfernen Regenhauben, die Küche war schon kalt. Das
riesige Gemäuer aus grauen, behauenen Klötzen war hell
erleuchtet, obwohl heute ein schöner Sommertag war, denn in der
Burg war es auch am Tage recht duster. Hinter vielen Fenstern
waren vorbei huschende Schemen zu sehen, die sicherlich letzte
Vorbereitungen trafen. Erst an der Treppe bog Ria nach links in
Richtung auf den alten Wald ab. Julie, Mathys und Daan wohnten
in der Burg, seit Julie die Hüterin geworden war. Jeder hatte seine
eigene Kammer, so wie es einem Ratsmitglied zustand. Ria
wohnte im Wald, doch das machte ihr nichts aus, denn als HalbDryade hielt sie sich dort viel lieber auf, als in Gebäuden aus
Stein.
Die Luft in der Burg war kühl wie immer. Rechts und links an
den steinernen Wänden steckten Fackeln in gußeisernen Haltern,
die Fläche oberhalb rußig geschwärzt von den Flammen
vergangener Jahrhunderte. Julie
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