Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
und entnahmen ihm etwas, das wie getrocknete Preiselbeeren aussah. Jede holte sich dann einen der offensichtlich zahmen Drachen, die im Wagen auf Stangen hockten, sagte “Such!“ und warf den Empat hoch in die Luft.
„Sieht nicht so schwer aus“, überlegte sich Julie. Der Wagen roch ein bisschen wie ein Taubenschlag. Der von ihr angepeilte Drache mit den süßen Flecken und den hellblauen Ohrspitzen kam brav auf ihren Arm – die Viecher waren schwerer, als sie aussahen – und beschnupperte Julie. Als sie ihn hochwarf, zischte er davon wie ein Hund, dessen Schwanz brennt. Julie merkte gerade noch rechtzeitig, dass die anderen Mädchen so hektisch hinter ihren Empats herliefen wie Brautjungfern hinter dem geworfenen Brautstrauß. Kurz bevor Julies Empat aus ihrem Blickfeld verschwunden wäre, fasste sie sich und rannte ihm nach. Den Blick gebannt nach oben gerichtet, um ihren Empat nicht mit einem anderen zu verwechseln, schlängelte Julie sich durch die Menge. Leider würde sie so bald nicht mehr sehen können, was die anderen machten. Also blieb sie kurz stehen. Die anderen Mädchen folgten den Empats, bis sie sich vor jemandem niederließen, und blieben bei der entsprechenden Person stehen. So lief das also. Julie hastete wieder hinter ihrem Drachen her, der glücklicherweise etwas langsamer geworden war.
Er flog direkt auf Tonia zu! „Oh mein Gott, nicht die - wenn ich die Pferdequälerin kriege, drehe ich durch …“ Doch der Drache hielt unaufhaltsam Kurs auf Tonia. Julie rannte nicht mehr. Sie setzte nur noch widerstrebend und recht langsam einen Fuß vor den anderen, in der Hoffnung, dass der Drache vielleicht platzte und alles nur ein böser Traum war. Erst Swantje hier in Tallyn und jetzt Tonia als Gefährtin noch oben drauf, sozusagen als Sahnehäubchen! Die letzten Meter schienen ihr so mühsam wie der Versuch, in Kimberleys Zimmer zu kommen. Sie fluchte noch einmal stumm. In diesem Moment prallte etwas seitlich mit irrer Wucht auf Julie.
Swantjes Drache war sehr schnell geflogen. Swantje hatte ihm kaum folgen können, nur noch zu ihrem Empat hingesehen, und war voll mit Julie zusammengeknallt. Beide Mädchen landeten auf dem Boden.
„Du meine Güte, ich hoffe, dass keiner von euch ungeschickten Tölpeln zu mir wollte!“, nörgelte Tonia.
Verdattert schwankend rappelte sich Julie auf. Welcher war denn jetzt ihr Drache? Sie suchte nach den kleinen Flecken auf den Flügeln, den hellblauen Ohrspitzen … ja, das war er, ganz sicher. Er steuerte genau auf Daan zu, der schon die ganze Zeit – bis gerade eben von Julie unbemerkt – schräg hinter Tonia gestanden hatte. Er fing den Drachen mit einer lässigen Bewegung auf, die seinen häufigen Umgang mit den Falken verriet. Als Halbelf war er neben den Ratsmitgliedern und natürlich neben Milo einer der wenigen, die das Recht hatten, einen eigenen Falken zu halten, auch wenn es noch einige Monde dauern konnte, bis Daan den Stirnreif der erwachsenen Elfen als Zeichen seiner Reife erhielt.
„Da bist du ja wieder“, sagte er nur.
Julie sagte niedergeschlagen: „Hallo.“ Eigentlich hätte sie sich freuen sollen, dass Tonia zu Swantje gehörte, und nicht sie selbst. Dennoch war sie enttäuscht; auch wenn sie es sich nicht recht eingestehen wollte, hatte sie doch gehofft, dass Mathys ihr Gefährte werden würde. Na ja, besser Daan als Tonia. Swantje konnte einem fast leidtun. Aber eben auch nur fast …
Daan nahm ihr die Beeren aus der Hand und fütterte den zappeligen Drachen. Der Drache wuselte danach weiter wild an Daans Tasche herum. „Ich habe wirklich nichts mehr“, erklärte Daan dem kleinen Nimmersatt.
Der Falkner stieß einen schrillen Pfiff aus. Die Empats flogen zum Wagen zurück und setzten sich auf die Stangen. Julie stupste traurig einen runden Stein mit der Spitze ihrer Sandale an.
„Worauf wartest du?“, fragte Daan.
„Wie meinst du das?“, entgegnete Julie. „Müssen wir für uns gegenseitig auch unterschreiben, so wie bei den Pferden?“
Damit entlockte sie unfreiwillig sogar dem ruhigen Daan ein Lächeln. „Nein, du musst noch mal los, um den zweiten Partner zu suchen, hol’ dir einen Empat!“
Stimmt, es sollten zwei Gefährten sein! Alles war wieder offen. Beschwingt beschloss Julie, den gleichen Drachen noch einmal zu nehmen, immerhin hatte er ihr Glück gebracht, indem er nicht zu Tonia geflogen war. Sie fand den kleinen Kerl nach einigem Suchen auf einer der unteren Stangen, wo er sich mit einem anderen
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