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Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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erschreckt auf. „Ich habe keinen Zettel hingelegt, ich muss doch zur Falknerprüfung!“
    „Doch, hier ist er“, sagte der Gager kurz, wie es seine Art war, und hielt ihr einen eng beschriebenen Zettel aus grünlichem handgeschöpftem Papier unter die Nase. Die Sommer-Weide war zwar gleich hinter dem Reitplatz, aber bis sie Go von dort geholt hatte, würden mindestens fünfzehn Minuten vergangen sein. Zeit, die Julie nicht hatte. Ihr schossen die Tränen in die Augen. Das war jetzt also das Ende. Sie würde zu spät zur Prüfung kommen, und Milo würde sie durchfallen lassen. Es war ihre eigene Schuld, gestand Julie sich ein. Sie hätte früher losgehen sollen. Sie hatte den Stoff doch gekonnt, es war völlig überflüssig gewesen, noch einmal das Buch durchzublättern. Um zum Falkenstein zu laufen reichte die Zeit nicht mehr. Leihen konnte sie sich auch kein Pferd, jeder in Tallyn hatte sein eigenes, und es war streng verboten, einfach jemandes Pferd zu nehmen. Es war vorbei.
    Der Gager betrachtete Julie, die inzwischen still schluchzend auf einen Heuballen gesunken war, mit nachdenklichem Blick. Ob sie wieder verrückt geworden war? Andererseits hatte sie ein Händchen für Pferde, und das war schließlich das Einzige, was zählte. Jedenfalls für einen Gager. Eine ganze Weile blickte der Gager ohne ein Wort auf Julies zuckende schmale Schultern. „Nimm meins“, würgte er schließlich mehr hervor, als dass er es aussprach, denn er hatte sein Pferd noch nie verliehen. Aber er hatte Julie auf Gager-Art sehr gern, ähnlich wie ein Fohlen vielleicht, und er wollte nicht, dass sie gehen musste. Sie sollte bleiben und sich mit ihm um die Pferde kümmern.
    Ungläubig starrte Julie ihn an. „Dein Pferd? Ehrlich?“, fragte sie völlig perplex. Gagerpferde, eine spezielle Zucht aus der Maktoum-Wüste nahe Aßlar, waren besonders schnell und gehorchten ihrem Reiter aufs Wort. Eines ohne Erlaubnis seines Gagers zu reiten, war allerdings unmöglich, selbst der beste Reiter konnte sich nicht auf dem Rücken eines durchgehenden Gagerpferdes halten.
    „Mach schnell, bevor ich es mir anders überlege“, quetschte der Gager hervor. Er drehte sich mit einem Ruck um, der seine langen Arme zum Schlackern brachte, und verschwand wieder in der Sattelkammer. Mit anzusehen wie jemand – noch dazu ein Mensch – auf seinen Hengst Storm stieg, ging doch über seine Kräfte.
    Julie zögerte nicht. Sie holte Storm, der sich widerstandslos satteln ließ, und führte ihn aus dem Stall. Sie konnte es nicht fassen. Gerade noch schien alles vorbei gewesen zu sein, und jetzt flog sie auf dem Rücken eines echten Gagerpferdes dem Falkenstein entgegen. Das hatte bestimmt noch nicht einmal Daan erlebt.
    Trotz des schnellen Rittes war Julie spät dran. Sie band das Pferd an einem Baum fest und betete, dass sie noch teilnehmen durfte. Zerknirscht näherte sie sich Milo. Milo warf einen Blick auf Julies schweißnasses Gesicht, die geringelten Haare und die vor Anstrengung geröteten Wangen. An ihr vorbeiblickend, sah er das Gagerpferd am Baum stehen. „Entschuldigung“, hub Julie an.
    „Stör mich nicht“, sagte Milo, “du bist erst die Übernächste auf der Liste, ich habe zu tun.“
    Verdattert setzte Julie sich hin. Sie hätte schwören können, dass sie viel zu spät dran war. Na, um so besser, so hatte sie Zeit, sich kurz auszuruhen.
    Milos Gesicht spiegelte nur kurz sein schlechtes Gewissen wider. Er hatte schon Leute durch die Prüfung fallen lassen, die weniger zu spät gekommen waren. „Egal“, nuschelte er auf dem Weg zur nächsten Anwärterin vor sich hin, „es hat keiner gemerkt, und sie hat es verdient für die Sache mit dem Amsel-Baby; jetzt sind wir quitt.“
    Julie brachte die Theoriefragen mit Bravour hinter sich. Einerlei, was Milo fragte, sie kannte die Antwort. Bei der praktischen Prüfung ließen die Mädchen der Reihe nach das Federspiel kreisen, lockten die Greife an und ließen sie sicher auf ihrer Hand landen. Alle waren gut vorbereitet, war ihnen doch klar, wie wichtig diese Prüfung war. Als Julie dran war, war sie bereits wieder gut aufgelegt: Das leichte Gelingen des theoretische Teils hatte ihr neue Sicherheit gegeben, die Arbeit mit dem Greifen selbst lag ihr ohnehin, und die Tipps von Daan waren wirklich gut gewesen. Leicht breitbeinig und dadurch sicher stand Julie da und schwang das Federspiel elegant durch die Luft. Wie vorgesehen näherte sich der Greif. Doch plötzlich, keine zwei Meter von ihrem

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