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Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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ausgestreckten Arm entfernt, drehte der Greif den Kopf weg und verfehlte dadurch Julies mit einem speziellen Handschuh bewehrte Hand. Der Vogel startete irritiert wieder durch und erhob sich in die Lüfte. Julie sackte das Herz in die Hose. Das war eine Katastrophe. Sie hatte nur noch einen einzigen Versuch!
     
    Tonia war zum Falkenstein geritten, nachdem sie gesehen hatte, wie Julie zum Stall gegangen war. Nun, als Julie auftauchte, noch dazu auf dem Pferd des hässlichen Gagers, stand Tonia der Mund offen. „Zeit für Plan B“, fauchte sie leise und verschwand im Wald.
    Mit einer auf Hochglanz polierten Messingscheibe wartete Tonia an einer guten Stelle. Hier befand sie sich genau im Rücken der Mädchen, die den Anflug der Greife bewerkstelligen mussten. Als Julie an der Reihe war, passte sie exakt den richtigen Moment ab, wie schon dutzendfach während des Trainings der Anwärterinnen geübt. Sie blendete den Greif mit Hilfe der Scheibe, und er verfehlte den Arm gründlich. Doch das triumphierende Grinsen gefror auf Tonias Gesicht, denn was sie plötzlich hinter sich hörte und roch, nahm ihr vor Schreck den Atem. Sie drehte vorsichtig den Kopf. Keine drei Meter hinter ihr stand aufrecht der größte Bär, den sie je gesehen hatte. Sie hatte schon als kleines Mädchen von dem Bären gehört, aber gedacht, seine Existenz sei ein Ammenmärchen, das erzählt wird, damit die Kinder nicht alleine in den gefährlichen Wald laufen. Und nun stand er leibhaftig hinter ihr! Das Tier strömte einen Raubtiergeruch aus, der so intensiv war, dass er auf drei Meter Entfernung Brechreiz auslöste. Sein riesiges Maul mit den spitzen Zähnen war weit aufgerissen. Mit einem tiefen, grollenden Angriffsschrei stürzte sich der Bär auf das Mädchen. Tonia erwachte aus ihrer Starre und rannte los. Sie lief um ihr Leben. Der Bär, der inzwischen wieder auf alle vier Pranken gefallen war, verfolgte sie in seinem wiegenden Galopp.
    „Zum Falkner, ich muss zum Falkner runter, da wird er nicht hinterherkommen“, dachte Tonia gehetzt. Sie keuchte, ihre Lungen pumpten. Nur noch ein paar Meter, und sie hatte es geschafft. Mit einem Hechtsprung landete Tonia auf dem Weg; sie blickte sich ängstlich um – tatsächlich, der Bär war ihr nicht aus dem Wald heraus gefolgt. Erschöpft blieb Tonia einfach eine Weile liegen.
     
    Die anderen hatten sie nicht bemerkt, alle fieberten mit Julie, deren Vogel im zweiten Anflug war. Der Greif schien kurz zu zögern, landete dann aber sicher auf dem ledernen Federspiel, fraß das Fleisch und wechselte willig auf die dargebotene Hand. Julie hatte die Prüfung bestanden!
    Julie konnte aber erst anfangen sich zu freuen, als sie Storm sicher zu dem Gager zurückgebracht hatte. Der Gager war, soweit man das unter dem ganzen Bewuchs feststellen konnte, weißlich-blass. Nervös war er die ganze Zeit über hin und her gelaufen, hatte seine Entscheidung sichtlich bereut. Aber das alles war vergessen, als Julie Storm wohlbehalten bei ihm ablieferte. Er sagte nichts, sondern ging gleich mit Storm in die Box, um sich zu vergewissern, dass es seinem Hengst gut ging. In seinem seltsamen Gager-Singsang sprach er beruhigend auf das Pferd ein, obwohl das schöne Tier keineswegs verstört wirkte.
    Julie brachte Leckerlis aus der Futterkammer  für Storm und bedankte sich beim Gager. „Es war mir ein große Ehre, ein so wundervolles Pferd reiten zu dürfen“, sagte sie. Dieser Satz holte den Gager wieder in die Realität zurück.
    „Passt schon“, war alles, was er erwiderte. Julie war klar, dass sich dieser Gunstbeweis nicht wiederholen würde.
    Einigen Mädchen ging es nicht so gut wie Julie und dem wieder erholten Gager. Sechs von ihnen waren durch die Prüfung gefallen, so dass es jetzt nur noch 82 Anwärterinnen gab. Alle Mädchen, die versagt hatten, gingen zu den Zelten und packten ihre Sachen, die meisten von ihnen weinten. Sie würden nach Hause gebracht und ihre Erinnerung würde gelöscht werden. Julie lief ein kalter Schauer über den Rücken; das war knapp gewesen. Sie konnte sich ein Leben draußen in der anderen Welt schon nach zwei Wochen in Tallyn kaum noch vorstellen.
     
    Tonia hatte sich bei der Flucht an mehreren Stellen die Haut zerkratzt. Als Swantje ihr helfen sollte, die Wunden zu säubern, stellte sich heraus, dass Swantje heilen konnte. „Nummer drei“, grummelte Tonia, immer noch mürrisch, „na, wenigstens etwas!“
     
     

Die Höhle am FalkensteinLeung Jan
     
    Die Stimmung auf

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