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Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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Schuld. Gib mir ein Zeichen, wenn ich etwas tun kann, und ich werde mein Möglichstes geben, um dir den Respekt zu zollen, der dir zusteht.“
    Danach kniete Daan stumm vor dem weißen Hirsch. Gerade als Julie sich fragte, auf was er wohl wartete – wohl nicht auf eine Antwort? – geschah etwas Merkwürdiges: Das Singen der Vögel und das Gezeter des kleinen Getiers im Dickicht verstummten schlagartig. Die Luft um das Tier herum fing an zu flirren, als ob die Mittagssonne sie in Brand gesetzt hätte. Die Umrisse des Wesens verschwammen, und nur einen Augenblick später war nichts mehr zu sehen als ein nebeliger Fleck. Aus dem Gewaber löste sich eine Gestalt. Julie dachte zuerst, es sei der Hirsch. Dann sah sie, dass ein Mensch aus den Schwaden trat!
    „Das ist echt unglaublich!“, staunte Daan. Julie dachte noch: „Wo kommt denn der jetzt her – und wo ist der Hirsch?“, bis ihr klar wurde, dass der Jüngling und der Hirsch ein und dasselbe Geschöpf waren. Am Boden lag sein Geweih – es hatte sich nicht verwandelt sondern war einfach abgefallen. Das Horn zersetzte sich schnell, und nur ein Häufchen schneeweißes Pulver blieb übrig.
    Der junge Mann war groß und muskulös. Sein weißblondes Haar fiel ihm in die Stirn, von wo er es keck wegpustete. Die blauen Augen schimmerten schelmisch, und ein breites Lächeln zog sich über das Gesicht. Zu Julies Entsetzen war der Hirsch-Mann völlig unbekleidet. Julie schoss die Röte ins Gesicht. Daan warf nur einen kurzen Blick auf Julie, dann schlüpfte er geistesgegenwärtig aus seinem langen Ledermantel, den er wie immer über den engen Tuchhosen trug. Er hielt dem Hirsch-Mann das Kleidungsstück hin. Der Tierwandler nahm es ohne ein Wort und streifte es seelenruhig über, ganz so als stünde er nach der Morgenwäsche noch vor der Waschschüssel. Der Mantel war zu klein; er passte nur knapp über die breiten Schultern, doch mit dem Gürtel ließ er sich vorne gerade so schließen. Mathys stupste Julie, die sich abgewandt hatte, an. Sich räuspernd sagte er: „Du kannst jetzt gucken …“
    Neugierig drehte Julie sich wieder zu dem seltsamen Wesen. Sie hatte gehört, dass es früher in Tallyn Tiermenschen gegeben hatte; das hier musste wohl einer sein. Die Gestalt begann endlich zu sprechen: „Habt Dank, edler Jüngling. Eurem Geschick in der Wahl der Worte ist es zu verdanken, dass mir mein Los etwas erleichtert wird. Diese Dame, die mich ob meines respektlosen Gebarens in eine Hirsch-Gestalt verwünscht hat, ließ mir ein kleines bisschen Hoffnung. Sobald mich ein anderer beim ersten Erblicken mit Respekt behandeln würde, sollte ich die Zeit bis zum nächsten Erreichen des vollen Mondes von meinem Schicksal erlöst sein. Ihr wisst nicht, wie gut es tut, auf zwei Beinen zu stehen!“ Wohlig reckte sich der junge Mann und kratzte sich genüsslich mit spitzen Fingern an der Stirn.
    Daan war genauso verdattert, wie die beiden anderen es waren. Immer wieder blickte er von dem Jüngling zum Geweihrest und zurück. Julies angespannte Stimmung entlud sich in einem Kichern. Ihr war nicht ganz klar, was Daan erwartet hatte; aber das hier jedenfalls nicht. Wahrscheinlich hatte er sich einfach nur vorgestellt, dass das Tier ihnen erlauben würde sich zu nähern, wenn man es mit Respekt behandelte.
    Nun ergriff Mathys das Wort; bewusst wählte er den Stil der alten Leute in Tallyn, denn der Hirsch schien schon eine Weile nicht mehr mit Menschen gesprochen zu haben. „Werter Jüngling, verzeiht meine Einmischung. Ich möchte mich Euch gerne vorstellen, mein Name ist Mathys Sander. Die beiden hier“, er zeigte auf Daan und Julie, „sind meine Gefährten. Die Dame heißt Julie, und der Herr, der Eurem schweren Los zumindest vorübergehend Erleichterung verschaffte, wird Daan genannt. Gestattet Ihr uns, auch nach Eurem Namen zu fragen?“
    „Mit Verlaub, empfindet mich ruhig als unhöflich, die lange Zeit in der Gestalt des Tieres hat meine Manieren offensichtlich nicht verbessert. Mein Name ist Theoprast, als Schreiber habe ich gearbeitet und vielen hübschen Damen in der Wahl der richtigen Worte Lektionen erteilt – und nicht nur das, will man meinen!“ Er zwinkerte vergnügt. „Leider haben die empfindsamen Seelen der Holden meine unverbindlichen Schwüre ganz und gar wörtlich genommen. Der Dame Leowynn hat meine Sprunghaftigkeit besonders missfallen, und sie hatte ihre ganz eigene Art das zu zeigen, wie man unschwer erkennen kann.“
    Julie bewunderte die

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